Zürich (energate) - Derzeit wird beim Zürcher Milchbuck ein Tunnel gebohrt, um eine Fernwärmeleitung vom Kehrichtheizkraftwerk Hagenholz zur Josefstrasse zu verlegen, damit das dortige Fernwärmewerk stillgelegt werden kann (energate berichtete). Der Zürcher Stadtrat Richard Wolff erklärt im Interview mit energate, warum die Leitung mehr kostet als zunächst geplant, und was er vom Ziel hält, die CO2-Emissionen bis 2030 auf null zu senken.
energate: Herr Wolff, das Fernwärmewerk an der Josefstrasse soll voraussichtlich 2021 abgestellt werden. Dessen Kapazität soll künftig die Fernwärmeleitung vom Hagenholz übernehmen. Was passiert, wenn es Probleme mit der Leitung aus dem Hagenholz gibt?
Richard Wolff: An derselben Stelle, wo das Werk an der Josefstrasse gegenwärtig steht, wird eine neue Energiezentrale gebaut. Diese ist dazu da, die Spitzen abzudecken oder notfalls zu überbrücken. Die Anlage ist allerdings viel kleiner als die heutige.
energate: Gegner des Projekts hatten vor der Abstimmung im vergangenen September kritisiert, die Fernwärmeleitung ins Hagenholz sei mit 235 Mio. Franken viel zu teuer. Ursprünglich war ja von 130 Mio. Franken die Rede. Wieso hat sich das Projekt derart verteuert?
Wolff: Die tieferen Kosten bezogen sich auf frühere Varianten, wo noch von einer Erdverlegung ausgegangen wurde, also dass man mithilfe von Baggern einen Graben aushebt und die Leitung verlegt. Die jetzige Variante für 235 Mio. Franken wird mit Microtunnelling durchgeführt, sprich mit einer Tunnelbohrmaschine. Ausserdem enthält sie die Möglichkeit, viel mehr Quartiere anzuschliessen als in den ersten Varianten vorgesehen. Die Volksabstimmung wurde ja deutlich angenommen. Wir hoffen, dass wir innerhalb der 235 Mio. Franken bleiben. Allerdings wird es noch Kosten für die Anschlussleitungen geben.
energate: Um Fernwärme zu erzeugen, braucht man Abfall. Ist das für Sie als ökologisch engagierter Politiker nicht ein Wermutstropfen?
Wolff: Klar, da gibt es sich widersprechende Interessen: Einerseits will man weniger Abfall, andererseits lässt sich daraus Wärme produzieren. Auf absehbare Zeit werden wir genügend Abfall haben, um die nötige Fernwärme produzieren zu können. Wir sind übrigens in einem kantonalen Kehrichtverbund. Wir bekommen Kehricht also nicht nur aus der Stadt Zürich.
energate: Die Fernwärmeleitung soll auch dabei helfen, aus der Stadtzürcher Bevölkerung eine 2.000-Watt-Gesellschaft zu machen. Das bedeutet, dass bis zum Jahr 2050 pro Person und Jahr nur noch eine Tonne CO2 ausgestossen werden sollen. Einige reden sogar von null Emissionen bis 2030. Wie realistisch ist dieses Ziel?
Wolff: Die Emissionen bis 2030 auf Null zu reduzieren, halte ich für sehr ambitioniert. Aber die Vorgabe, aus den fossilen Energien, also aus Öl, Gas und Kohle auszusteigen und sie durch Erneuerbare zu ersetzen, ist klar. Wann wir diese Vorgabe erreichen werden und ob wir sie in den vorgegebenen Jahren auch erfüllen, kann ich nicht sagen.
energate: Die Liegenschaften können sich, wenn sie dies wünschen, dem Fernwärmenetz ja anschliessen. Haben Sie da schon Interessenten?
Wolff: Ja, zum Beispiel Wohnbaugenossenschaften, die schon einen Vertrag abgeschlossen haben. Ich glaube, das wird sehr gut laufen, da bin ich sehr zuversichtlich.
Die Fragen stellte Michel Sutter, energate-Redaktion Olten.