Olten (energate) - Seit dem Ja zur Energiestrategie im Frühjahr 2017 ist in der Schweiz kein neuer Windpark ans Netz gegangen. Mit dem kürzlich erfolgten Baustart zum Windpark am Gotthard gab es nun wieder ein Lebenszeichen der Technologie (
energate berichtete)
. Dieses vermag die Branche aber nicht von den Windenergiezubauzielen des Bundes zu überzeugen, wie eine nicht repräsentative energate-Umfrage bei sechs grossen Energieversorgern zeigt.
"Bezüglich Windenergie sind die Ausbauziele des Bundesrates unserer Meinung nach sehr ambitiös, um nicht zu sagen unrealistisch", hiess es etwa von der BKW-Gruppe, welche fast 50 Prozent der Schweizer Windanlagen besitzt. Auch die IWB erachtet das Ziel, im Jahr 2050 rund vier Mrd. kWh Windstrom jährlich zu produzieren
, "unter den aktuellen Rahmenbedingungen als wenig realistisch"
. Was für ein Windenergiezubau bis 2050 tatsächlich möglich sei, vermöge man zum heutigen Zeitpunkt aber nicht abschliessend zu beurteilen, so der Basler Versorger weiter. Konkreter wird hier die Axpo. Sie verweist auf den aktuellen Ausbaustand im Bereich Wind und den aus ihrer Sicht oft sehr starken Widerstand gegen Windkraftprojekte und schreibt, dass sie deswegen von einer Reduktion der BFE-Ziele im Bereich Wind bis 2050 um die Hälfte ausgehe. Alpiq, die Genfer Stadtwerke (SIG) und das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich (EWZ) antworteten auf die Frage nach der realistischen, jährlichen Windenergieproduktion im Jahr 2050 eher ausweichend. So entgegnete etwa das EWZ, dass es zum allgemeinen Zubaupotenzial in der Schweiz keine Aussage machen könne und verwies auf das Bundesamt für Energie (BFE). Von diesem steht eine Antwort auf die Frage, ob es die Sicht der Branche teile und ob es die Ziele im Bereich Wind entsprechend in den sich in Bearbeitung befindenden Energieperspektiven nach unten korrigieren werde, noch aus.
Bewilligungsverfahren treiben Unternehmen ins Ausland
Für den bis dato schleppenden Ausbau der Windenergie in der Schweiz machen die Energieversorger mehrheitlich komplexe und aufwändige Bewilligungsverfahren sowie teilweise fehlende Akzeptanz in der Bevölkerung verantwortlich. So verweist etwa das EWZ exemplarisch darauf, dass es nun seit über zehn Jahren versuche, im Kanton Waadt die Windparks Provence und Mollendruz zu bauen. Unter anderem deshalb investiere man vor allem in Windkraft im Ausland, wo die Voraussetzungen in Bezug auf Windpotenzial, Wirtschaftlichkeit, Umweltverträglichkeit und Akzeptanz am besten gegeben seien. "Bis im Jahr 2034 will das EWZ seine Windproduktion bis auf circa 2,6 Mrd. kWh/Jahr ausbauen. Dabei gehen wir davon aus, dass dies mehrheitlich mit Anlagen im Ausland erreicht wird", so das Stadtwerk dazu. Auch die BKW schreibt, dass ein Ausbau der Windkapazität im Inland zwar angestrebt sei, man aufgrund der herausfordernden Rahmenbedingungen in den vergangenen Jahren von einem dreistelligen Millionenbetrag aber die grössten Investitionen im Ausland getätigt habe.
Deutliche Zahlen
Auch die Zahlen der anderen Unternehmen zeigen deutlich, dass die Bewilligungsverfahren die Firmen tendenziell ins Ausland trieben. So verfügt die Axpo in der Schweiz über keine eigenen Windkraftanlagen während sie im Ausland unter anderem Anlagen in Frankreich, Spanien, Italien und Nordeuropa besitzt. Der Basler Versorger IWB besitzt im Ausland 89 Windenergieanlagen mit einer installierten Leistung von 195 MW. Dem gegenüber erscheint sein Portfolio in der Schweiz mit vier Windenergieanlagen mit einer Leistung von neun MW eher bescheiden. Gleiches gilt für die Alpiq. Diese besitzt hierzulande den Windpark "Le Peuchapatte" mit einer Leistung von 6,9 MW und einer durchschnittlichen Jahresproduktion von 13,5 Mio. kWh. Zum Vergleich: Das Unternehmen hält in Bulgarien einen Windpark, welcher mit 72,5 MW Leistung durchschnittlich 125 Mio. kWh im Jahr und somit fast zehn Mal mehr produziert. Auch Alpiqs Italien-Portfolio alleine ist mit 202 MW und einer durchschnittlichen Jahresproduktion von 302 Mio. kWh um ein Vielfaches grösser.
Eigenverbrauch für Windenergieanlagen
Auf die Frage, wie denn der Windenergiezubau in der Schweiz am wirksamsten gefördert werden könne, verwiesen die sechs Energieversorger geschlossen auf schlankere Bewilligungsverfahren. Zudem wurden oft auch akzeptanzfördernde Massnahmen genannt. So schlägt die IWB etwa eine schweizweit koordinierte Standortplanung vor
. "Heute dominieren in der Standortplanung Partikularinteressen von sehr vielen verschiedenen Akteuren. Durch den ungeregelten Wettbewerb von Akteuren um gute Standorte entsteht der falsche Eindruck, dass wirtschaftliche Interessen zu sehr dominieren", erklärte das Unternehmen. Für erfolgsversprechend hält es der Versorger weiter, bessere Voraussetzungen und Anreize für Bürgerbeteiligungsmodelle zu schaffen. Denn Bürgerbeteiligungsmodelle seien sehr gut geeignet, um aus Betroffenen Beteiligte zu machen. Vergleichbar ist auch der Vorschlag des Versorgers, dass künftig eine direkte Anrechnung der Stromlieferungen an die Anteilseigner oder Betroffenen von Windenergieanlagen über die Stromrechnung möglich wäre. "Dabei würden die beteiligten Endkunden eine Art Eigenverbrauchsgemeinschaft bilden." /mg