Essen (energate) - RWE drückt beim Wandel vom konventionellen zum "grünen" Erzeuger weiter aufs Tempo. Neben Windkraft und Photovoltaik rückt zusehends auch der entsprechend produzierte Wasserstoff in den Fokus der Neuorientierung. Das machte Finanzvorstand Markus Krebber bei der Veröffentlichung der Konzernbilanz für die ersten drei Quartale des laufenden Jahres deutlich. Den Covid-19-Effekt auf das operative Geschäft dieser Zeit bezeichnete der designierte RWE-CEO als "sehr überschaubar". Dies gelte auch für den zu erwartenden weiteren Geschäftsverlauf - auch für den Fall eines längeren Lockdowns im Winter, stellte er klar.
Der Pandemie zum Trotz verbuchte der Konzern für die ersten drei Quartale einen deutlichen Ergebnissprung. Der bereinigte Gewinn vor Steuern und Zinsen (Ebit) lag mit 1,1 Mrd. Euro 29 Prozent über dem Pro-Forma-Wert des Vorjahreszeitraums (also dem Ergebnis, dass die nunmehr bei RWE Renewables zusammengeführten Segmente von Eon und Innogy erzielt haben). Für den Gewinn vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (Ebitda) verbuchte RWE einen Anstieg um 13 Prozent auf 2,2 Mrd. Euro. Einerseits profitierte die Offshore-Windkraftsparte vom höheren Windaufkommen, anderseits trug erneut der britische Kapazitätsmarkt positiv zum Ergebnis bei. Zudem erzielte die konventionelle Erzeugung aus Kohle und Atomkraft bessere Margen als im Vorjahreszeitraum, was an den höheren abgesicherten Grosshandelspreisen lag, so die Begründung. Das Ebit im Handelssegment sackte indes um 30 Prozent ab. Dennoch sprach Krebber von einem "sehr zufriedenstellenden Geschäftsverlauf".
Covid-19 bremst LNG-Terminal-Pläne aus
Allerdings ging Covid-19 nicht spurlos am Essener Konzern vorbei. So ist die finale Bauentscheidung für das LNG-Terminal, an dem RWE sich Kapazitäten gesichert hat, im schleswig-holsteinischen Brunsbüttel pandemiebedingt vertagt, wie Krebber erklärte. Anstatt noch im laufenden Jahr werde sie nunmehr "hoffentlich im ersten Halbjahr 2021" fallen, sagte Krebber zu energate. Ebenso verzögere die Pandemie derzeit den Baufortschritt einiger Erneuerbaren-Projekte - vor allem in den USA - die auch im kommenden Jahr in Betrieb gehen können. Trotz der pandemiebedingten Projektverzögerungen sieht sich das Unternehmen beim Aufbau des hauseigenen Ökostromportfolios auf Kurs. Allein im laufenden Jahr investierte RWE 1,3 Mrd. Euro in Windkraft, Photovoltaik und Grossspeicher und nahm 500 MW neu in Betrieb. Bis zum Jahresende werde das in Betrieb befindliche Erneuerbaren-Portfolio 10.000 MW umfassen, kündigte Krebber an. Dass die laufenden
Klagen gegen den Innogy-Deal mit Eon die RWE auf ihrem weiteren Weg rückwirkend ausbremsen könnten, hält das Vorstandsmitglied weiterhin für unwahrscheinlich.
Forschung und Entwicklung zu Wasserstoff nimmt Fahrt auf
Neben der Erzeugung aus Erneuerbaren und dem Energiehandel will sich RWE künftig vor allem den Wasserstoffmarkt als weiteres Standbein aufbauen. Um herauszufinden, wie das H2-Geschäftsmodell der Zukunft aussehen könnte, arbeitet das Unternehmen aktuell mit 250 Mitarbeitern und zahlreichen Industriepartnern an 30 Pilotprojekten entlang der gesamten H2-Wertschöpfungskette. Als Beispiele nannte er den Umbau der Kraftwerksstandorte im niederländischen Eemshaven (
energate berichtete) sowie im walisischen Pembroke, wo in Zukunft Wasserstoff produziert werden soll. Die grössten Hoffnungen und H2-Erwartungen verbindet der Konzern allerdings mit dem Grossprojekt "Get H2" in Niedersachsen (
energate berichtete). "Dieses Projekt ist am weitesten fortgeschritten", so Krebber.
Aussicht auf höhere AKW-Entschädigungen?
Für Wohlwollen in der Essener RWE-Zentrale sorgte auch das just gefallene Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Entschädigung der AKW-Betreiber für den vorzeitigen Atomausstieg. Die Karlsruher Richter erklärten das entsprechende Gesetz für verfassungswidrig und pochen auf eine Neuregelung (
energate berichtete). "Nach erster Einschätzung wird sich unsere Rechtsposition definitiv nicht verschlechtern", sagte Krebber in einer ersten Reaktion. Gleichwohl kalkuliere RWE nach wie vor damit, für die frustrierten AKW-Investitionen und die ungenutzten Strommengen vom Bund mit einem dreistelligen Millionenbetrag entschädigt zu werden. /pa