Brüssel (energate) - Ein neues Bündnis will den Markthochlauf von grünem Wasserstoff in Europa beschleunigen. Aus Sicht der Gründer der Renewable Hydrogen Coalition wird die Nachfrage aktuell unterschätzt. Sie sehen Raum für deutlich ambitioniertere Wasserstoffziele. Hinter dem Netzwerk stehen der europäische Windverband Windeurope sowie der Solarverband Solarpower Europe. Mit an Bord ist der von Microsoft Gründer Bill Gates initiierte Energieinvestor Breakthrough Energy. Der Fokus des Zusammenschlusses: Europa soll zum Weltmarktführer bei grünem Wasserstoff werden.
Das neue Bündnis will Unternehmen, Investoren und Forscher in ein Netzwerk einbinden. Aus dem Austausch sollen Vorschläge für die politische Debatte entstehen, um den Markthochlauf der Wasserstofftechnologie zu beschleunigen, wie es in der Gründungserklärung heisst. Eine offizielle Mitgliedschaft gibt es nicht. Unterstützt wird das Bündnis unter anderem von der Erneuerbaren-Sparte von RWE sowie von der Baywa Re. Ausdrücklich will das Netzwerk keine Konkurrenz zur European Clean Hydrogen Alliance sein, die mit der EU-Wasserstoffstrategie in diesem Sommer ins Leben gerufen wurden. Dort tauschen sich Unternehmen über konkrete Projekte aus (
energate berichtete).
Ohne grünen Wasserstoff sei die Dekarbonisierung im Energiesektor nicht zu erreichen, betonte der Chef des europäischen Windverbands, Giles Dickson, bei der Video-Vorstellung der Renewable Hydrogen Coalition. Er verwies auf den Wärmebereich, der nach wie vor stark von fossilen Energieträgern abhängig sei. Durch seine starke Marktposition bei erneuerbaren Energien sehen die Gründer des Bündnisses eine gute Chance, dass Europa eine Führungsrolle beim grünen Wasserstoff einnehmen kann. Geschwindigkeit spielt dabei aus ihrer Sicht eine wesentliche Rolle. "Bei der digitalen Revolution ist Europa ins Hintertreffen geraten. Das darf sich nicht wiederholen", betonte Ann Mettler von Breakthrough Energy.
Bedarf unterschätzt
Der Investor hat zum Start des Bündnisses eine Analyse beim schwedischen Thinktank Material Economics in Auftrag gegeben. Demnach könnte der Markthochlauf von grünem Wasserstoff deutlich schneller vonstattengehen als bisher gedacht. Die Autoren verweisen darauf, dass sich bisherige Marktanalysen vor allem auf die Produktionskosten von grünem Wasserstoff konzentriert hätten, die aktuell noch deutlich über denen von Wasserstoff aus fossilen Energieträgern liegen. Aus ihrer Sicht ist dies aber nur eine Seite der Medaille. Für viele Unternehmen hätte der Einsatz von grünen Produkten in der Wertschöpfungskette einen zusätzlichen Wert. Sie verweisen auf Autobauer wie Daimler und VW, die Klimaneutralität in der Herstellung anstrebten. Grüner Stahl ist dabei ein entscheidender Faktor. Laut der Analyse ist dieser um etwa 100 Euro pro Tonne teuer. Im Endpreis des Fahrzeuges führe dies aber nur zu einer Steigerung von 0,4 bis 0,5 Prozent, so die Autoren.
Material Economics schätzt daher, dass die Nachfrage nach grünem Wasserstoff bereits sehr schnell auf 540 Mrd. kWh ansteigen könnte. Die Wasserstoffstrategie der EU-Kommission sieht einen Aufbau der Elektrolysekapazitäten auf 40.000 MW bis 2030 vor, was einer Erzeugung von 160 bis 200 Mrd. kWh entspricht. Die Autoren fordern daher eine Erhöhung der Ausbauambitionen der EU-Staaten. Zudem soll sich die EU auf Leitmärkte konzentrieren wie Düngemittel, Stahl, Chemie und Schifffahrt. Ausserdem sollten die Investitionen der Unternehmen durch Carbon Contracts for Difference sowie Betriebskostenzuschüsse abgesichert werden.
Simson: Grüner Wasserstoff bald wettbewerbsfähig
EU-Energiekommissarin Kadri Simson begrüsste den Start der Renewable Hydrogen Coalition. "Wir brauchen die Industrialisierung von Elektrolyseuren", betonte sie. Es gehe darum, die Nachfrage und die Produktion von grünem Wasserstoff parallel hochzufahren. Simson bestätigte das in der EU-Wasserstoffstrategie formulierte Ziel, wonach Wasserstoff aus erneuerbaren Energien bis 2030 mit solchem aus fossilen Quellen beim Preis konkurrenzfähig sein werde. "Vielleicht schaffen wir es sogar schneller." Wesentlich sei dabei der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien in der EU. Sie verwies dazu auf die kürzlich veröffentlichte Offshore-Windstrategie (
energate berichtete). /kw