Olten (energate) - Energieversorger in Monopolbereichen haben gebundene Kunden, die ihren Anbieter nicht frei wählen können. Dadurch verfügen sie über Adress- und Verbraucherdaten, die ihnen einen grossen Wettbewerbsvorteil verschaffen können.
Ein Gastkommentar von Christoph Schaer, Direktor Schweizerisch-Liechtensteinischer Gebäudetechnikverband (Suissetec)
Die Entwicklung kam schleichend: Die Schalterhallen der Post glichen plötzlich einem Gemischtwarenladen aus Papeterie und Buchhandlung; Stadtgärtnereien sind direkt neben unseren Landeskirchen angesiedelt und nutzen diesen Standortvorteil für den Blumenverkauf bei Trauerfeiern und Hochzeiten auch an Feiertagen; die SBB sind zu einer der grössten Immobilienfirmen der Schweiz mit verkehrstechnisch privilegierten Bauplätzen mutiert und haben "nebenbei" noch einen ÖV-Mobilitätsauftrag; Gebäudeversicherungen gehen mit Policen für Mobilien auf Kundenfang; Energieversorger verschaffen sich Wettbewerbsvorteile aus Energielieferungsdaten. Es gäbe sicher noch weitere Beispiele. Ihnen allen ist gemein, dass es sich um staatliche, halbstaatliche oder staatsnahe Unternehmen mit Monopolbereichen handelt.
Um zu verstehen, wie es so weit kommen konnte, hilft der berühmte Blick zurück. Nehmen wir die Post: Deren Auftrag war einst die flächendeckende Versorgungssicherheit mit einem Service Public, also Briefe, Pakete sowie Geld versenden und zustellen. Mit der Teilprivatisierung konnten andere Firmen ebenfalls im Postmarkt tätig werden, und die Post natürlich genauso in anderen Märkten. Das hat sie beispielsweise extensiv mit der erwähnten Aufnahme von Papeteriewaren in all ihren Filialen auch tatsächlich gemacht. Als Folge davon sind die meisten Papeterien verschwunden, weil die flächendeckende Konkurrenz ihnen die ohnehin schon anspruchsvolle Existenz nahm. Inzwischen haben zwar auch die Poststellen das diesbezügliche Sortiment wieder redimensioniert. Aber der Schaden ist irreparabel angerichtet, ein ganzer Gewerbezweig weitgehend verschwunden.
Muster akzentuiert sich
Dasselbe Muster spielt sich derzeit bei den Energieversorgungsunternehmen (EVU) ab. Dass der Staat ursprünglich als Energieversorger aktiv war, ist nachvollziehbar. Kein privates Unternehmen wäre in der Lage gewesen, solch grosse Infrastrukturprojekte wie zum Beispiel ein Flusswasserkraftwerk oder eine Staumauer zu finanzieren. Dabei ging es im Kern, ähnlich wie beim Beispiel der Post, um die flächendeckende Versorgungssicherheit - diesmal einfach mit Strom. Inzwischen ist auch in diesem Sektor eine Teilprivatisierung erfolgt, womit sich das Muster nicht nur wiederholt, sondern zusätzlich akzentuiert. Dies, weil Energieversorger im Monopolbereich gebundene Kunden haben, die den Anbieter nicht frei wählen können.
Durch diese Abhängigkeiten sind die betroffenen EVU im Besitze sensibler Adress- und Verbraucherdaten, was ihnen im Falle eines Missbrauchs einen signifikanten Wettbewerbsvorteil verschafft. Man stelle sich folgendes Szenario vor: Ein EVU besitzt die Verbraucherinformationen seiner Kunden und kann daraus relativ genau die installierte Gebäudetechnik und den energetischen Zustand des Gebäudes abschätzen. Auf dieser Basis versendet es als Beilage zur Energieabrechnung massgeschneiderte Werbung für eine energetische Sanierung und/oder für den Ersatz der Gebäudetechnik.
Politische Vorstösse haben wenig gebracht
Der damit verbundene Wettbewerbsvorteil ist immens, denn ein privates Unternehmen verfügt nicht über diese Verbraucherdaten. Es müsste entweder zuerst das Objekt besichtigen oder die Angaben vom Gebäudeeigentümer verlangen. Es hat aber überdies auch einen direkten monetären Nachteil. Nehmen wir an, es handle sich um einen Kreis von 50.000 Kunden: Dann müsste das private Unternehmen 50.000 Adressen erwerben (Kauf oder Miete), wollte es in identischer Weise werben. Überdies müsste es Couverts, Papierbögen und Briefmarken kaufen. Die Folge: Es resultiert ein Wettbewerb mit ungleich langen Spiessen, bei welchem die privaten Unternehmen unterliegen. Geht ihnen dann die Luft aus, werden sie nicht selten von EVU aufgekauft - finanziert mit den Übergewinnen aus dem Monopolbereich. So nimmt die Anzahl privater Unternehmen im Besitze der öffentlichen Hand stetig zu. Genauso wie das Ungleichgewicht im Wettbewerb. Fair ist anders.
Verschiedene politische Vorstösse haben bisher wenig bewirkt. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, denn am Ende des Tages braucht es den Mut sich zu exponieren und gegen ungleich lange Spiesse im Wettbewerb vorzugehen. Wer als Politikerin oder Politiker wiedergewählt werden will, findet sicher attraktivere Themenfelder. Suissetec hat deshalb in Eigenregie mehrere Fälle zur Anzeige gebracht und mehrere Urteile provoziert. Mit dem bekannten "Fall EKS" (Elektrizitätswerk des Kantons Schaffhausen) liegt ein Dossier vor, das diese offensichtliche und nationale Problematik umfassend dokumentiert. Dieses hat Suissetec der Wettbewerbskommission (Weko) zur Beurteilung vorgelegt, worauf eine Voruntersuchung gegen EKS eröffnet worden ist. Leider scheint aber auch dieser Weg nicht weiterzuführen, denn wie Suissetec der Presse entnehmen musste, will die Weko nun doch keine Untersuchung eröffnen (
energate berichtete). Sie scheint kein Interesse daran zu haben, für Fairness im Wettbewerb zu sorgen.
Die Konkurrenz durch staatsnahe Betriebe nimmt also weiter zu und spült private Unternehmen reihenweise in finanzielle Nöte bis hin in den Ruin - oder eben in Staatshand. Eine öffentliche und politische Diskussion über die Aufgaben des Staates und seiner Betriebe ist unabdingbar. Im Zentrum steht auch die Frage, ob in der Schweiz Gewinnmaximierung zu Lasten des lokalen Gewerbes zum Portfolio staatsnaher Betriebe gehören soll oder nicht.