Der Einfluss der Coronapandemie auf den wachsenden Markt der erneuerbaren Energien ist erst teilweise abzuschätzen. (Foto: Pixabay)
Olten (energate) - Die Auswirkungen der Coronapandemie sind grosse Löcher in den Kassen von Privatunternehmen und der öffentlichen Hand. An der Börse waren Energietitel trotzdem stabil. Zu Beginn des Jahres hat das deutsche "Handelsblatt" die Coronapandemie gar als Glücksfall für die erneuerbaren Energien bezeichnet: "Die Pandemie scheint die grüne Wende heraufbeschworen zu haben, die viele seit Jahren fordern", heisst es. Der Satz bezieht sich auf die Aktienkurse von Vestas, Encavis und First Solar, die seit dem März 2020, im Gegensatz zu vielen anderen Konzernen Wachstum verzeichneten.
Die jüngsten Zahlen aus der Marktstudie von Swiss Sustainable Finance belegen eindrücklich: Nachhaltige Finanzprodukte verzeichnen auf dem Schweizer Markt ein substanzielles Wachstum. Derzeit sind Gelder im Umfang von 1,163 Mrd. Franken nachhaltig angelegt, was rund einem Drittel der lokal verwalteten Vermögen entspricht. Im Vergleich zum Vorjahr handelt es sich um einen markanten Zuwachs von 62 Prozent. Auf diesen Angaben basiert die Swiss Banking Association in einer Mitteilung auch ihr Engagement für das CO2-Gesetz. Das Fraunhofer-Institut lässt spezifisch eine positive Entwicklung für die nachhaltige Energie verlauten: Der Anteil der Erneuerbaren an der Nettostromerzeugung stieg demnach in Deutschland 2020 von 46 Prozent auf 50,5 Prozent. Hat Corona also das Bewusstsein für klimafreundliche und nachhaltige Wirtschaft gefördert?
In der Schweiz nicht so euphorisch
Allgemein zeigten sich Energietitel an der Börse sehr stabil und verlässlich, das sagt auch Björn Zern, der Co-Gründer und Partner des Netzwerks für Schweizer Aktien. Dass es durch die Pandemie einen zusätzlichen Boom für Erneuerbare gegeben hat, würde Zern nicht behaupten. "Der Trend in nachhaltige Anleihen ist aber da, und Corona hat diesem keinen Einhalt geboten", so Zern. Jedoch sieht er den Ursprung dieses Trends mehr in der Klimabewegung und gibt auch zu bedenken, dass der Ölpreis sich im vergangenen Jahr auf Tiefstniveau befand.
An der Schweizer Börse ist es die Gurit-Aktie, die seit März 2020 ein kontinuierliches Wachstum verzeichnet. Gurit produziert Verbundwerkstoffe vor allem für Windenergiesysteme. Meyer Burger, das weltweit tätige Maschinenbau-Unternehmen mit Sitz in Thun (BE), ist vor allem bekannt für seine Produktionsanlagen in der Photovoltaik-Industrie und hat in den drei letzten Quartalen des Jahres 2020 ebenfalls stark zugelegt.
Corona eher als Bremse
Trotzdem will in der Schweiz nur zaghaft an eine Energiewende geglaubt werden. Fragt man beispielsweise die Stadtwerke, namentlich Ronny Kaufmann, CEO der Swisspower AG, sieht er einige Hürden im weiteren Umbau des Energiesystems, nicht zuletzt, weil die Akteure im Schweizer Energiemarkt überwiegend Unternehmen der öffentlichen Hand seien. "Der Zubau erneuerbarer Stromproduktion ist mit Investitionen verbunden, die letztlich von den Eigentümern dieser Unternehmen getragen werden müssen, also zum Beispiel den Schweizer Städten. Die Coronapandemie wird riesige Löcher in die öffentlichen Kassen reissen. Ich rechne deshalb damit, dass es Investitionen in Energieinfrastrukturen in den kommenden zehn Jahren nicht einfacher haben werden als in den vergangenen." Wobei auch Kaufmann betont, dass der Anteil an Erneuerbaren steigend ist: "Zwischen 2016 und 2018 konnten die Swisspower-Stadtwerke zum Beispiel den Anteil erneuerbarer Energien bei Strom, Gas und Fernwärme insgesamt deutlich steigern: von 27 auf 37 Prozent. Zudem konnten sie den CO2-Ausstoss der Energielieferung von 165 g/kWh auf 158 g/kWh reduzieren."
Einfluss bisher nur klein
"Wir haben bei der Nachfrage unserer Produkte mit erneuerbarer Energie keine Veränderung festgestellt", sagt Markus Blättler, Geschäftsführer der SWL Energie AG. Sie versorgt Lenzburg und Umgebung mit Energie und Energie-Infrastruktur. "Ich gehe davon aus, dass die Corona-Pandemie keinen unmittelbaren Einfluss auf die Nachfrage an erneuerbarer Energie hat." Und Serge Steiner, Direktionsmitglied in der Schweizerischen Bankiersvereinigung, will zum Einfluss der Pandemie keine Vermutungen anstellen, und macht lediglich eine allgemeine Aussage. Er macht darauf aufmerksam, dass ESG, also Environment Social Governance-Titel - entgegen der Befürchtung von vielen - nicht weniger Anlagenrendite bringen: "Zahlreiche Studien bescheinigen nachhaltigen Investments sogar tendenziell eine Mehrrendite."
Boom oder kontinuierliche Entwicklung: Erneuerbare Energien sind aus dem Investitions-Portfolio nicht mehr wegzudenken. Und deshalb wird SIX Group am 10. Februar mit einem neuen Index an die Öffentlichkeit gehen, der nur ESG-Titel beinhaltet und dem wachsenden Bedürfnis gerecht wird. /Nadine Baumgartner
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