Empa-Forschende untersuchen mit Partnerns die Reaktionen von Zement-basierten Materialien und dem umliegenden Opalinuston. (Foto: Pierre Montavon/Empa)
Dübendorf (energate) - Wie reagieren kristalline Strukturen und die Tonmineralien von Opalinuston mit Zement-basierten Sicherheitsbarrieren für ein Tiefenlager? Das erforscht die Empa derzeit gemeinsam mit internationalen Partnern und Forschungsgruppen aus der Schweiz wie etwa der Universität Bern und dem Paul-Scherrer-Institut (PSI) im Felslabor Mont Terri. "Die Langzeitentwicklung der Grenzschichten zwischen den sehr unterschiedlichen Materialsystemen untersuchen und modellieren die Forschenden dabei in mehrjährigen Versuchsansätzen bei unterschiedlichen Temperaturen zwischen 20 und 70 Grad Celsius", so die Empa.
Von besonderer Bedeutung sei hierbei der stark alkalische pH-Wert von Zement, der bei herkömmlichem Portland-Zement bei pH 13,5 oder sogar darüber liegen kann. Damit das alkalische Milieu die Tonmineralien in der Umgebung weniger stark angreife, schien zunächst eine Neuentwicklung, der sogenannte "low-alkali"-Zement, ein guter Kandidat für langlebige, Zement-basierte Schutzbarrieren zu sein. Mit einem pH-Wert von 12,2 oder tiefer weise er eine mehr als zehnmal niedrigere Alkalikonzentration auf. Empa-Forscherin Barbara Lothenbach und ihr Team verglichen daher Zementarten mit unterschiedlichen pH-Werten.
Comeback eines alten Bekannten
Erstmals lägen damit Langzeitergebnisse vor, mit denen sich die Zementarten und ihre Evolution im Berg charakterisieren liessen. Es stellte sich heraus, dass low-alkali-Zement tatsächlich schonender mit den Tonmaterialien umgeht. Allerdings würden sich bei Verwendung von herkömmlichem Portland-Zement über die Zeit chemische Verbindungen bilden, die zu ähnlich günstigen Verhältnissen in der Sicherheitsbarriere führen. "Damit ist der preiswertere und erprobte Portland-Zement wieder zurück in den Mittelpunkt des Interesses gerückt", so Lothenbach.
"Sollen Zement-basierte Materialien radioaktive Substanzen vom Austritt in die Umwelt abhalten, darf zudem die Reaktion zwischen dem Atommüll und dem Zement keinesfalls die Sicherheitsbarrieren des Lagers beeinträchtigen", heisst es weiter von der Empa. Die Forscher haben darum radioaktive Isotope, die im radioaktiven Abfall vorhanden sind, wie etwa jene des Elements Selen, untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass Selen-Verbindungen vom Zement aufgenommen werden, und zwar in grossen Mengen. "Eine Schutzbarriere aus Beton verzögert das Austreten von Radioaktivität in die Biosphäre, da die Zementmineralien die radioaktiven Substanzen binden und damit eine Verbreitung aufhalten", sagt Lothenbach. So einfach liessen sich allerdings nicht alle Prozesse bewerten, die im komplexen Zusammenspiel der aufeinandertreffenden Materialien ablaufen. Man habe zwar gehofft, dass die Entwicklung von neuen low-alkali-Zementarten Vorteile für die Haltbarkeit der Sicherheitsbarrieren bieten. Allerdings konnten die Empa-Forschenden erkennen, dass solche Zementarten Substanzen wie radioaktives Iodid schlechter binden.
Gefährliche Korrosion
Erstrebenswert sei eine Isolationsschicht, die zwar möglichst wasserdicht, jedoch nicht gasdicht abschliesst. Gase könnten in einem Tiefenlager beispielsweise durch Korrosion der eingeschlossenen Stahlbehälter entstehen, wobei sich Eisenhydroxid bilde und Wasserstoff freigesetzt werde. Solche Gase, die über die Zeit in kleinen Mengen entstehen, müssten entweichen können, um die Entstehung von Überdruck zu verhindern. Um langfristigen Reaktionen bei der Korrosion von Eisen an der Grenze zum Zementmaterial auf die Spur zu kommen, führten die Forschenden Untersuchungen mittels chemischer Analysen und Spektroskopie durch. "Erste Ergebnisse zeigen, dass sich Portland-Zement mit hohen pH-Werten besser bewährt als low-alkali-Zement. Nun stehen weitere Experimente an, die diese noch wenig bekannten Korrosionsprozesse genauer beleuchten sollen", heisst es weiter von der Empa.
Zudem hat Lothenbachs Team die Phasen in der Interaktionszone von Zement und Opalinuston charakterisiert, die aus der Wechselwirkung von Tonmaterialien mit den Bestandteilen des Zements entstehen. Dass derartige Zwischenschichten entstehen und zu einer Abdichtung der Schutzschicht beitragen können, sei bisher nicht eindeutig geklärt gewesen. Erkenntnisse dieser Art könnten zur Entwicklung neuer Materialsysteme beitragen, die für die gesamte Bauindustrie interessant seien, ist Lothenbach überzeugt. Denn trotz der guten Materialeigenschaften von Portland-Zement werde heute verstärkt nach Umwelt- und Ressourcen-schonenden Alternativen gesucht, die auch für andere Anwendungen als in einem geologischen Tiefenlager eingesetzt werden könnten. /df
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