Brüssel (energate) - In den EU-Mitgliedsstaaten sorgt die europäische Wasserstoffstrategie für intensive Diskussionen. Im Kern geht es dabei um die Frage, wie grün der Wasserstoff sein soll. Deutlich wurde dies zuletzt etwa bei einer Online-Konferenz des EU-Wasserstoffverbandes Hydrogen Europe. Dort äusserten sich Vertreter der sogenannten Visegrad-Staaten, also Polen, Ungarn, Tschechien und die Slowakei, kritisch gegenüber einer Fokussierung auf grünen Wasserstoff.
Laut der 2020 verabschiedeten Strategie der EU-Kommission sollen bis 2024 EU-weit Elektrolyseanlagen für die Produktion von Wasserstoff aus Ökostrom mit einer Leistung von 6.000 MW entstehen (
energate berichtete). Für 2030 liegt das Ziel bei 40.000 MW. Das geht Vertretern der Visegrad-Staaten offenbar zu weit. "Wasserstoffmoleküle haben keine Farbe", betonte etwa der polnische Klima- und Umweltminister Michal Kurtyka bei der Konferenz von Hydrogen Europe. Der einzige relevante Faktor sei der CO2-Gehalt. Auch Kernenergie müsse für die Wasserstoffproduktion infrage kommen, so der Minister. Ähnlich äusserte sich ein ungarischer Regierungsvertreter.
Roter Wasserstoff
Die Staatengruppe will Nuklearenergie und fossile Energie mit CO2-Abscheidung für die Produktion von "CO2-armem" Wasserstoff einsetzen. Nuklearenergie wird in der Kommissionsstrategie nicht erwähnt. Polen, zurzeit drittgrösster Produzent von (fossilem) Wasserstoff in der EU, verfügt zwar noch über keine Kernkraftwerke, plant aber sechs Atommeiler mit einer Gesamtleistung von 6.000 bis 9.000 MW an der Ostsee (
energate berichtete). Nationale Wasserstoffstrategien haben die vier Visegrad-Staaten noch nicht. Der polnische Minister Kurtyka kündigte aber an, sein Land werde eine solche bald verabschieden. Ein Ziel soll der Aufbau einer Elektrolysekapazität von 2.000 MW bis 2030 sein.
Gasnetzbetreiber gegen Entflechtung
Auf ihrer Seite haben die vier Regierungen die Erdgasnetzbetreiber in ihren Ländern, etwa die slowakische Eustream sowie Net4Gas aus Tschechien. "Lasst euch nicht von Farben verblenden", sagte Karin Stehlik, zuständig für Innovationen bei Net4Gas. Kritisch äusserten sich die Gastransporteure auch zu den Vorschlägen der europäischen Regulierer Acer und CEER, das Geschäft des Erdgastransports und des Wasserstofftransports zu entflechten, um eine Quersubventionierung der Nutzer beider Netze zu vermeiden (
energate berichtete). Eustream und Net4Gas fordern EU-weite Regeln für die Beimischung von Wasserstoff zu Erdgas. Sie sprechen sich zudem für einen Einsatz von Wasserstoff in Gebäuden aus, was die EU-Kommission - ähnlich wie die Bundesregierung - aktuell ablehnt.
Parlament entscheidet am 18. März
Zuletzt hatten auch die 27 EU-Energieminister für Änderungen an der EU-Wasserstoffstrategie geworben. Sie forderten einen offeneren Ansatz, der nicht nur grünen, sondern auch CO2-armen Wasserstoff möglich macht
(energate berichtete). Am 18. März stimmt der zuständige Industrieausschuss im EU-Parlament über die Wasserstoffstrategie ab. Der Berichterstatter zum Thema, Jens Geier (SPD), sprach sich im Interview mit energate ebenfalls dafür aus, für eine gewisse Phase den Einsatz von blauem, also aus Erdgas gewonnenem Wasserstoff, zu ermöglichen (
energate berichtete).
Aus Sicht der EU-Kommission steht zunächst die Förderung des Wasserstoffangebotes im Vordergrund, bevor neue Wasserstoff-Pipelines gebaut oder Erdgas-Pipelines umgerüstet werden, so Mark Nicklas aus der Industrieabteilung der Kommission. Die Behörde plant etwa, den Einsatz von Grünstrom für die Wasserstoff- oder E-Fuels-Produktion für die Ziele der EU-Erneuerbarenrichtlinie (RED II) anrechenbar zu machen. Daraus würde ein zusätzlicher Produktionsanreiz entstehen. Zu Änderungen an der RED II läuft aktuell eine Konsultation in der EU-Kommission. /rl