Olten (energate) - Der Verband unabhängiger Energieerzeuger (VESE) ist der Ansicht, dass Leistungstarife kontraproduktiv für die Energiewende sind. Er ist zudem zurückhaltend, was Peak-Shaving anbelangt. Das schreibt der Verband in einer Stellungnahme, die energate vorab vorliegt. Der VESE reagiert damit auf einen Vorschlag der BKW, die Netztarife künftig nach Kapazität abzurechnen (
energate berichtete). Bei den Leistungstarifen unterscheidet der Verband zwischen der anschlussleistungsabhängigen Grundgebühr und der 15-Minuten-Spitze. Bei der Grundgebühr würden Leistungstarife dadurch begründet, dass die Netzkapazitäten vorgehalten werden müssen, so der VESE. Das sei nachvollziehbar, wenn jemand eine über den "normalen" Gebrauch grössere Anschlussleistung benötige, nicht aber bei Privathaushalten. Dort mittle sich die bezogene Leistung schon innerhalb eines Strassenzuges aus.
In Bezug auf die 15-Minuten-Regel schreibt der VESE, dass diese vor allem in der Industrie anzutreffen sei und im Privathaushalt keinen Sinn ergebe. "Warum sollte ich für einen ganzen Monat mehr bezahlen müssen, nur weil ich einmal für eine Feier abends auf allen vier Platten gekocht, einen Braten im Ofen sowie die Waschmaschine laufen hatte?", fragt der Verband rhetorisch. "Das Stromversorgungsnetz wäre dadurch garantiert nicht überlastet, denn dass all die Nachbarn im gleichen Strassenzug ebenfalls in dieser Stunde mehr Strom als gewöhnlich brauchen, ist extrem unwahrscheinlich."
Peak-Shaving betrifft nach Ansicht des VESE nur wenige Prozent der Leistungs- und Energieeinspeisung
Der VESE hält noch weitere Argumente vor, die aus seiner Sicht gegen Leistungstarife sprechen. So förderten diese etwa die Tendenz zu Heimbatterien, um Spitzen zu brechen. "Diese Batterien sind ökologisch, energetisch und volkswirtschaftlich nicht unbedingt wünschenswert", schreibt der VESE. Zudem erschwerten es Leistungstarife, Zusammenschlüsse für den Eigenverbrauch zu kalkulieren, denn schon eine kurze Stromspitze könne den Bezug massiv verteuern. Und nicht zuletzt ginge es bei der Energiewende auch um Effizienz und Stromsparen. Diese Notwendigkeit sei unabhängig von der Produktionsart der Energie, denn jede Produktion ist eine Belastung der Umwelt und ein Verbrauch von Ressourcen, so der VESE. "Dies war in der Vergangenheit auch der Grund, warum die Netztarife auf den Arbeitspreis umgelegt wurden, denn dadurch wurde der Strom pro Kilowattstunde etwas teurer und damit der Anreiz zum Energiesparen grösser", schreibt der Verband. Zum Argument, dass Prosumenten durch den Eigenverbrauch weniger zum Netz beitragen als eigentlich notwendig, meint er: "Das kann so gesehen werden, war aber eine politische Entscheidung, welche durch Leistungstarife auch nicht rückgängig gemacht werden kann."
Das BKW hatte zudem vorgeschlagen, PV-Anlagen auf den Stromertrag statt auf die maximale Leistung zu optimieren, also mittels Peak-Shaving abgeregelt werden - ein Vorschlag, den das Bundesamt für Energie (BFE) begrüsst hatte (
energate berichtete). In Bezug auf Peak-Shaving schreibt der VESE, dass dies im Normalfall nur wenige Prozent der maximal möglichen Leistungs- und Energieeinspeisung betreffe. "Es kann sein, dass dies in Einzelfällen notwendig sein wird", räumt der Verband zwar ein. Doch: "Dies sollte aber dann durch den Netzbetreiber gebührend begründet werden." Die vollflächige Ausrüstung aller neuen PV-Anlagen mit Fernabschaltung führe zu hohen Zusatzkosten, welche die Energiewende unnötig verteuerten, und sei zudem technisch sehr fragwürdig, denn eine reine Ein-/Ausschaltung sei wohl nicht netzdienlich.
"Jede Kilowattstunde Strom aus Erneuerbaren spart uns ca. 0,3 Liter Öläquivalente"
Anders sähe es aus, wenn massiv auf PV umgestellt würde. "Dann müsste man im Sommer wohl abregeln, was aber kein Problem wäre", so der VESE. Denn Energie von den PV-Zellen würde einfach nicht abgenommen werden, d.h. man müsse auch keine Überschüsse speichern, da sie gar nicht entstehen würden. Der VESE ist der Ansicht, dass erst gezeigt werden muss, dass effektiv ein Problem besteht, dass zweitens nicht auch andere Massnahmen zum Ziel führen, wie zum Beispiel Regeltransformatoren, Demand Side Management, Quartierbatterien oder auch die Abregelung konventioneller Kraftwerke. "Denn jede Kilowattstunde Strom, welche aus PV oder anderen Erneuerbaren kommt, spart uns ca. 0,3 Liter Öläquivalente ein", so der Verband. "Und ohne massiv mehr Erneuerbare und einem forcierten PV-Zubau kann der für die Energiewende mit neuen Wärmepumpen und der Elektromobilität benötigte Strom in der Schweiz nicht produziert werden." /ms