Berlin (energate) - Mehr als 30 Unternehmen und Verbände der Energiewirtschaft stossen sich an der geplanten Taxonomieverordnung der EU zu nachhaltigen Investitionskriterien. Von Angela Merkel fordern sie nun einen Einsatz für Änderungen an den Vorgaben. Am 30. März haben sie an die Bundeskanzlerin einen Brief mit ihren Vorschlägen übersandt. Sie wollen in erster Linie, dass in der Taxonomie die Anforderungen an die Nachhaltigkeit für Gaskraftwerke, die Kohlekraftwerke ersetzen, gelockert werden. Nur Investitionen in Aktivitäten, die diese Kriterien erfüllen, werden als nachhaltig eingestuft. Finanzinvestitionen müssen in Zukunft über die Nachhaltigkeit ihres Portfolios berichten, aber Banken verlangen auch zunehmend Nachhaltigkeit, um Projekte überhaupt zu finanzieren (
energate berichtete).
"Fristen und Grenzwerte zu anspruchsvoll"
Die EU erarbeitet derzeit zwei delegierte Rechtsakte, mit denen die Taxonomieverordnung aus dem vergangenen Jahr konkretisiert und mit den notwendigen technischen Kriterien für die Nachhaltigkeit von Aktivitäten unterlegt wird. Vor kurzem legte die EU-Kommission einen überarbeiteten Entwurf dazu vor (
energate berichtete). In diese Fassung wurden neue KWK-Anlagen als nachhaltig aufgenommen, wenn sie Kohlekraftwerke ersetzen.
Die Unterzeichner begrüssen dies, kritisieren jedoch die Bedingungen. Konkret fordern sie, dass die Einstufung des Neubaus von KWK-Anlagen als nachhaltig nicht auf Regionen begrenzt sein sollte, die vom Kohleausstieg betroffen sind. Neben KWK-Anlagen sollten zudem auch Kraftwerke ohne Wärmeauskopplung als nachhaltig anerkannt werden, wenn sie Kohlekraftwerke ersetzen. Die Kommission will die Nachhaltigkeit zudem nur für Projekte, die bis 2025 in Betrieb gehen - diese Frist sollte bis 2030 verlängert werden, so das Bündnis. Auch die Anforderung einer Reduktion der CO2-Minderung von 50 Prozent ist für die Unterzeichner des Briefes zu anspruchsvoll. Wenn moderne Kohlekraftwerke ersetzt werden, sei dieses Ziel nicht zu erreichen.
Wasserstoff-Readiness als Nachhaltigkeitsnachweis
Weitere Forderungen sind etwa, Gaskraftwerke als nachhaltig einzustufen, die der Netzstabilisierung dienen. Für Gasinfrastruktur solle zudem das Kriterium "Wasserstoff-Readiness" für die Nachhaltigkeit reichen. Sorge bereitet den Verbänden und Unternehmen auch eine andere Hürde: Anlagen dürfen keine erheblichen negativen Auswirkungen auf Umweltziele haben. Die Schwelle liegt für Gaskraftwerke bei direkten Emissionen bei 270 Gramm CO2/kWh. Diese Grenze erreiche derzeit kein Kraftwerk. Die "aktuell besten Technologie" sollte als Schwelle reichen. Schliesslich sollte für alle Stromübertragungs- und -verteilnetze die Zugehörigkeit zum europäischen Verbundsystem als Nachhaltigkeitsnachweis ausreichen.
Intensiver Austausch ohne Konsequenzen
Die Unternehmen und Verbände glauben, dass die Änderungen notwendig sind, um einen realistischen Transformationspfad zu erreichen. Ein "intensiver Austausch" mit den zuständigen Ministerien für Finanzen, für Wirtschaft und für Umwelt habe nicht zu einer Intervention der Bundesregierung bei der Kommission geführt. Deshalb solle Kanzlerin Merkel nun tätig werden. Die Zeit drängt, die Kommission will die delegierte Rechtsakte am 21. April verabschieden. Danach sind Änderungen nicht mehr möglich. Das Europaparlament oder der europäische Rat der Mitgliedsstaaten müssten sie insgesamt ablehnen.
Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem die Verbände BDEW, BDI und VKU, die Energiekonzerne EnBW, Eon, Uniper, VNG, Equinor und Wintershall Dea sowie eine Reihe von grösseren Versorgern und Stadtwerken, aber auch Kraftwerkshersteller. /hl