München (energate) - Unternehmen aus Deutschland und Schottland wollen in einem Modellprojekt die Erzeugung und den Transport von grünem Wasserstoff erproben. Sie setzen auf das grosse Windpotenzial vor den schottischen Küsten und die Erfahrungen der Öl- und Gasförderung im Land. Schon 2022 könnte der erste Wasserstoff per Schiff nach Deutschland gelangen. Koordiniert wird das Vorhaben von München aus von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG. Als Basis dient eine seit 2017 bestehende schottisch-bayrische Wirtschaftsinitiative. "In Bezug auf den Import von Wasserstoff stehen Südeuropa oder Nordafrika im Fokus vieler Überlegungen. Allerdings liegt Nordeuropa, sprich die skandinavischen Länder oder auch Grossbritannien nicht nur näher, sondern birgt auch ausgesprochen hohe Potenziale für Windenergie", erklärt Sylvia Trage, Direktorin und Expertin für Supply Chain Management bei KPMG, im Gespräch mit energate.
Circa 25 Prozent des europäischen Potenzials zur Erzeugung von Offshore-Windenergie befinden sich allein vor der Küste von Schottland. Das Land produziert schon jetzt mehr Windenergie, als es verbrauchen kann. Mit entsprechenden Folgen: Zwischen 2010 und 2018 erhielten Betreiber eine halbe Mrd. Euro für das Abregeln ihrer Windparks. Das ist ein Grund, warum die schottische Regierung sich gerne als Wasserstoffexporteur positionieren möchte (
energate berichtete). Ein anderer: Wasserstoff könnte den Gas- und Ölexplorationsunternehmen im Land eine neue Perspektive bieten.
Pipeline im Blick
In dem Demonstrationsprojekt soll nun zunächst eine Elektrolyse in einem schottischen Hafen entstehen, in der aus Windenergie Wasserstoff produziert wird. "Ein Teil davon könnte dann vor Ort genutzt werden, etwa in den Whiskey-Destillerien", erklärt Trage. Was übrig bleibt, könnte nach Deutschland exportiert werden, zunächst per Schiff. Die Produktionskosten für den Wasserstoff schätzt sie bei guter Auslastung des Elektrolyseurs auf rund sechs Euro pro kg. Hinzukommen die Transportkosten. Eine Variante dafür sei die Umwandlung des Wasserstoffs in synthetische Gase, so Trage. Dieser Schritt macht den Wasserstoff aber auch teurer. "Dadurch werden die Kosten für die Wasserstoffversorgung je nach Transporttechnologie und Entfernung um 50-150 Prozent erhöht", erläutert die KPMG-Expertin. Langfristig sei aber insbesondere für grosse Mengen der Transport über Pipelines anzustreben, betont Trage. Der Wasserstoff aus Schottland soll zunächst in Norddeutschland verbraucht werden. "Der Weitertransport in den Süden beispielsweise über Binnenschiffe kann dann in einem zweiten Schritt erfolgen."
Investoren gesucht
Noch ist das Vorhaben ein Konzept. Weitere Details sollen zur Klimakonferenz in Glasgow Ende 2021 stehen. Aktuell suchen die Partner einen möglichen Transporthafen in Schottland, zur Auswahl stehen unter anderem Cromarty, Aberdeen oder auch Glasgow. "Bei einem optimalen Projektablauf könnte im Verlauf von 2022 der erste grüne Wasserstoff von Schottland im Rahmen eines Demonstrationsprojektes in einem deutschen Hafen ankommen", so Trage. Weitere Investoren sind aber nötig, um das Vorhaben zu realisieren. Ein Beitrag der öffentlichen Hand wäre dafür ein Vorteil. Die schottische Regierung plant für den Sommer eine Exportförderung. Helfen könnte dem Vorhaben zudem der Plan der britischen Regierung, nach dem Brexit "Free Trade"-Häfen" zu etablieren. /kw
Das komplette Interview mit Sylvia Trage, KPMG, lesen Sie im heutigen Add-on Neue Märkte und Technologien.