Wien (energate) - Welche Rolle spielt Wasserstoff im künftigen Energiemarkt? Das war die Frage beim 2. energate-Webtalk Österreich. "Österreich hat das Potenzial, eine Wasserstoffnation zu werden", sagte dabei Gudrun Senk, Geschäftsführerin der Wiener Wasserstoff GmbH. Die gesamte Wirtschaft müsse mit grossen Schritten in Richtung Klimaneutralität gehen. Dabei sei Wasserstoff ein zentraler Baustein, denn er könne sowohl Wärme als auch Strom oder Mobilität zur Verfügung stellen. Markus Mitteregger, CEO der RAG Austria, sieht die Potenziale für die heimische Produktion von grünem Wasserstoff allerdings begrenzt.
"Wird Österreich im grossen Stil Wasserstoff produzieren können? Das glaube ich nicht", sagte er. Sein Unternehmen schloss daher erst kürzlich einen Importvertrag für Wasserstoff aus der Ukraine (
energate berichtete). Österreich werde bis 2030 "schwer damit zu kämpfen haben", bei Erneuerbaren das geplante Ausbauziel von 27 TWh zu erreichen. "Nach unseren Berechnungen braucht es danach bis 2040 aber nochmals 200 TWh an Kapazitäten für eine dekarbonisierte Versorgung." Österreich müsse daher rechtzeitig die notwendigen Importe in die Wege leiten, so Mitteregger. Auch Martina Prechtl-Grundnig, Geschäftsführerin vom Erneuerbaren-Verband EEÖ, betonte, dass der künftige Wasserstoffbedarf zu einem Teil über Importe gedeckt werden müsse. Dennoch dürfe die heimische Produktion nicht ausser Acht gelassen werden.
Wasserstoffstrategie "de facto fertig"
Für den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft in Österreich soll die nationale Wasserstoffstrategie sorgen. Diese sei von fachlicher Seite "de facto fertig", sagte Jürgen Schneider, Sektionschef im Klimaministerium. Es fehle die politische Abstimmung. Schon im EAG hatte die Regierung eine halbe Milliarde Euro für den Aufbau von Elektrolyseuren zur Verfügung gestellt (
energate berichtete). Weitere Mittel sollen auch aus dem Corona-Aufbaufonds fliessen (
energate berichtete). Ziel sei eine Kapazität von 1.000 bis 2.000 MW bis 2030. Die Wasserstoffstrategie soll nun festlegen, in welche Bereiche die Mittel fliessen. Schneider stellt klar, dass die Fördermittel sehr fokussiert vergeben werden. Vorrang habe grüner Wasserstoff in Wirtschaftsbereichen, für deren Dekarbonisierung es keine Alternative gebe. "Das ist vor allem die Chemie sowie die Stahl- und Eisenerzeugung", betonte er.
RAG-Austria-Chef Mitteregger forderte hingegen mehr Technologieoffenheit. Ziel müsse die CO2-Reduktion sein, den Weg dorthin sollte der Markt bestimmen. Dazu könne auch die Methanpyrolyse beitragen, deren Energieverbrauch deutlich unter dem der Elektrolyse liege, so Mitteregger. Rudolf Zauner, Leiter der Wasserstoff-Programms von Verbund, betonte unterdessen, dass bei der Wasserstoffproduktion die Vorkettenemissionen nicht vergessen werden dürften. Hier schneidet die Pyrolyse aufgrund der Methanemissionen bei der Förderung aus Klimasicht schlechter ab. Er hält das "Bekenntnis zu grünem Wasserstoff" im nationalen Fahrplan daher für richtig. Dazu komme der internationale Handel, der über Zertifikate klarstellen müsse, welchen Ursprungs der Wasserstoff sei.
CO2-Bepreisung als Schlüssel zur Wettbewerbsfähigkeit
Damit grüner Wasserstoff konkurrenzfähig werden könne, sei die CO2-Bepreisung ein entscheidendes Instrument, führte Gudrun Senk von der Wiener Wasserstoff GmbH aus. Sie geht davon aus, dass die Kosten der Elektrolyse, ähnlich wie es bei der Photovoltaik der Fall war, sehr rasch fallen werden. "Ich glaube, dass wir einen massiven Preisverfall sehen werden", sagte sie. Wenn gleichzeitig Kosten der fossilen Energieträger steigen, werde grüner Wasserstoff absehbar die Wettbewerbsfähigkeit erreichen. "Dazu gehört ein CO2-Preis und gleichzeitig ein Wegfall von Steuerprivilegien."
Rudolf Zauner vom Verbund stellte diesbezüglich fest, dass Erdgas für die bislang dominierende Herstellung von grauem Wasserstoff auf der sogenannten Carbon-Leakage-Liste stehe. Die Hersteller erhalten also kostenfrei CO2-Zertifikate. Das sei ein Fehlanreiz, den der Gesetzgeber beheben müsse. Sektionschef Schneider aus dem Klimaministerium quittierte diese Forderung im energate-Webtalk mit einem Nicken. Zugleich stellte er in Aussicht, dass die Regierung schon bald einen Vorschlag für die CO2-Bepreisung in den Sektoren Verkehr und Wärme vorlegen werde. Grundlegende Entscheidungen stünden in Abstimmung mit dem Finanzministerium aber noch aus. Die Regierung werde ihren Vorschlag zur zweiten Stufe der ökosozialen Steuerreform allerdings noch dieses Jahr vorlegen. Im ersten Quartal 2022 soll sie dann in Kraft treten.
Verfügbarkeit von Wasser und Rohstoffen als Thema
Auch die Verfügbarkeit von Wasser in der künftigen Wasserstoffwirtschaft war Thema des energate Webtalks. Aktuell sei der Wasserverbrauch von Elektrolyseuren in Österreich kaum relevant, so Rudolf Zauner mit Verweis auf das Projekt "H2Future" in Linz (
energate berichtete). "Die Donau fliessen 3.000 bis 4.000 Kubikmeter Wasser pro Sekunde hinunter. Für unsere Anlage auf dem Gelände der Voestalpine mit 6 MW brauchen wir aber nur einen Kubikmeter pro Stunde. Auch wenn man die gesamte Voest mit Wasserstoff versorgen wollte, würde die lokale Elektrolyse nicht ins Gewicht fallen", so Zauner. Beim Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft im globalen Massstab könne es dagegen sehr wohl zu Knappheiten bei der Bereitstellung von Wasser wie auch bei Seltenen Erden kommen. Es biete sich die Entsalzung von Meereswasser an, um möglichst wenig Süsswasser zu verwenden, so Zauner. "Bei einer Ausrollung im grossen Massstab müssen wir schon mit Auswirkungen auf das Klima rechnen. Deswegen ist eine ganzheitliche Perspektive wichtig. Es geht nicht nur um die Senkung von CO2, sondern um Nachhaltigkeit insgesamt." /cs
Das Video zum Webtalk sehen Sie hier.