Bern (energate) - Mit einer Motion hat FDP-Ständerat Damian Müller angeregt, dass die Stromkennzeichnung eine zeitnahe Übereinstimmung von Stromproduktion und -verbrauch wiedergibt. Im energate-Interview äussert sich Müller zu den Hintergründen des Vorstosses. Und er wehrt sich gegen Kritik, die die BKW an der Stossrichtung seines Begehren geäussert hat.
energate: Herr Müller, der Ständerat hat am 28. September entschieden, ihre Motion "Mehr Transparenz bei der Stromherkunft" an die zuständige Kommission zur Vorprüfung weiterzugeben (
energate berichtete). Warum hat ihr Rat mit dem gesetzgeberischen Auftrag gezögert? Welche Bedenken bestehen hinsichtlich ihres Vorstosses?
Müller: Die Idee zu diesem Vorstoss kam nicht aus der Strombranche, sondern von einem börsenkotierten Unternehmen, welches in seinem Nachhaltigkeitsbericht möglichst transparent das Engagement im Bereich Energie und Klima darstellen will. Es stellte fest, dass HKN-Werte auf Jahresbasis nicht die volle Wirklichkeit wiedergeben, sondern in einzelnen Wintermonaten ein weit höherer CO2-Fussabdruck vorhanden ist. Durch den Vorstoss wurde nun auch die Diskussion in der Strombranche angestossen, dies hat zu sehr unterschiedlichen ersten Reaktionen geführt. Da macht es Sinn, in der Urek zuerst eine Auslegeordnung vorzunehmen und Ziele, Etappen sowie erwartete Effekte zu diskutieren.
energate: Die BKW steht ihrem Vorstoss sehr skeptisch gegenüber. In einem
Meinungsbeitrag stellt sich das Unternehmen etwa auf den Standpunkt, dass eine höhere Periodizität der Herkunftsnachweise keine zusätzlichen Anreize für mehr Winterstromanlagen generieren würde. Zudem drohe aufgrund des Mangels an erneuerbaren HKN im Winter gar ein staatlicher Eingriff in Form einer Preisobergrenze und/oder einer Zuteilung der HKN durch den Staat an die Marktakteure. Was sagen Sie zu diesen und den weiteren Kritikpunkten durch die BKW?
Müller: Die BKW selbst schreibt, dass die HKN-Preise durch die neue Periodizität im Winter ansteigen werden. Folglich steigt nicht nur bei den Biomassekraftwerken der Anreiz, die Stromproduktion so auszulegen, dass im Winter mehr Produktion anfällt. Idealerweise werden auch zusätzliche Investitionen in die Produktion von grünem Strom im Winter ausgelöst. Eine verbesserte Stromkennzeichnung kann damit also ergänzend zu anderen Förderinstrumenten wie Investitionsbeiträgen und PV-Auktionen wirken. Die BKW-Stellungnahme zeigt eine ziemlich statisch-buchhalterische Sicht und verkennt, dass durch kluge Regulierung neue Märkte entstehen können, welche weit eher als zusätzliche staatliche Eingriffe eine Dynamik ins System bringen.
energate: Im Gegensatz zur BKW schreibt die Axpo in einem
Magazinbeitrag positiv über das Anliegen ihres Vorstosses. Wie erklären Sie es sich, dass zwei Marktakteure mit so viel profundem Branchenwissen zu solch unterschiedlichen Einschätzungen kommen?
Müller: Es dokumentiert, dass die Regulierungsteams beider Firmen sehr unterschiedliche Einschätzungen zum Funktionieren von Märkten auf dem Weg zu einer nachhaltigen Energiezukunft haben. Es ist jetzt zentral, dass wir uns auf breiter Basis Gedanken machen, denn es geht nicht nur um Fragestellungen für einzelne Firmen der Stromwirtschaft. HKN sollen einen Beitrag zum Hauptproblem der Energiewende leisten, nämlich die täglichen und vor allem saisonalen Gaps zu füllen. Sie sollen einen Anreiz schaffen, um neue Geschäftsmodelle zu ermöglichen, die das Hauptproblem adressieren (z.B. Quartierstrom, Peer-to-Peer Handel, Batteriespeicher von E-Autos nutzen, thermische Speicherkapazitäten, Power2X, Demand Side Management etc.). Mittelfristig könnte das Projekt also zu neuen Geschäftsmodellen/Technologien, zur Konsumanpassung und zu Speicherung führen, was neben Stromfirmen auch nachhaltigkeitsorientierte Firmen und ZEV-Gruppen etc. interessieren muss.
Die Fragen stellte Mario Graf, energate-Redaktion