Einige Politiker wünschten sich KKW-Betriebslaufzeiten von 60 Jahren, dabei sei das Schweizer Regelwerk noch nicht einmal für einen Betrieb über 40 Jahre hinaus gerüstet, so die SES. (Foto: Kernkraftwerk Leibstadt AG)
Leibstadt (energate) - Das Sicherheitsniveau des Kernkraftwerks Leibstadt werde dem Stand von Wissenschaft und Technik nicht gerecht, kritisiert die Schweizerische Energie-Stiftung SES. Sie fordert von der Politik eine Anpassung des Kernenergiegesetzes. Im Auftrag der SES durchleuchtete Manfred Mertins von der TH Brandenburg die Anlage auf den Stand der Sicherheit. Dabei stellte er laut Mitteilung der Energie-Stiftung fest, dass das KKW Leibstadt im Rahmen der Periodischen Sicherheitsüberprüfung von 2016 diverse Defizite offenbarte, die weder Betreiberin Axpo noch die Atomaufsicht Ensi beheben wollten. Für einen sicheren längerfristigen Betrieb müsste weit mehr unternommen werden, als die Ensi und das Kernenergiegesetz forderten, so die Stiftung.
Experte stellt Abweichungen fest
Derzeit befindet sich Leibstadt in Revision. Wenn es Anfang Dezember wieder ans Netz geht, erfülle es aber trotz Nachrüstungsarbeiten die heutigen internationalen Sicherheitsstandards nicht mehr. Grundsätzlich seien KKW spätestens nach 40 Jahren ausser Betrieb zu nehmen, wird Experte Mertins zitiert. "Ausnahmen sollte es nur geben, wenn das Sicherheitsniveau eines solchen AKW dem gegenwärtigen Stand von Wissenschaft und Technik entspricht."
Die neue Analyse zum KKW Leibstadt weise zahlreiche Abweichungen zu diesem Stand auf. So erfüllten verschiedene Sicherheitssysteme heutige Anforderungen hinsichtlich Redundanz und Diversität nicht. Das gestaffelte Sicherheitskonzept könne im KKW nicht konsequent sichergestellt werden. Zudem sei Leibstadt nicht vollständig gegen den Absturz eines heute üblichen Flugzeugtyps geschützt und Kernschmelzszenarien seien nicht in die Sicherheitsbewertung eingeflossen.
Das Ensi tue zu wenig, sagt die SES
Die Stiftung wirft dem Ensi vor, zu wenig zu unternehmen, um die bestehenden KKW so nahe wie möglich an das Sicherheitsniveau neuer Reaktoren heranzuführen. Zwar müssten Anlagen in der Schweiz alle zehn Jahre eine periodische Sicherheitsüberprüfung bewältigen und nach 40 Betriebsjahren ein Langzeitbetriebskonzept einreichen. Dabei müssten sie sich aber nicht am höchstmöglichen Sicherheitsniveau messen, sondern am Stand der Nachrüsttechnik. "Selbst das Ensi kann nicht abschliessend definieren, was das bedeutet", so die SES.
Das Parlament wiederum habe es 2016 im Rahmen der Energiestrategie 2050 verpasst, den längerfristigen Betrieb an griffige sicherheitstechnische Auflagen zu knüpfen. Die SES fordere die Politik dazu auf, die Gefahren des verlängerten AKW Betriebs ernst zu nehmen und entsprechende Grundlagen im Kernenergiegesetz zu schaffen. "Einige Politiker wünschen sich AKW-Betriebslaufzeiten von 60 Jahren dabei ist das Schweizer Regelwerk noch nicht einmal für einen Betrieb über 40 Jahre hinaus gerüstet", wird Fabian Lüscher, Leiter Fachbereich Atomenergie bei der SES, zitiert. Gegenüber energate schreibt das Ensi, es nehme Studien zur Sicherheit von Kernanlagen ernst und prüfe, ob es zu der vorliegenden Studie eine Stellungnahme abgeben werde. /yb
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