Führungspersönlichkeiten ziehen Jahresbilanz
Frank: "Jede Kilowattstunde zählt"
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"Wir brauchen hier und jetzt einen massiven Ausbau inländischer erneuerbarer Stromproduktion": Michael Frank (Foto: VSE)
Olten (energate) - Zum Jahresabschluss hat energate wie jedes Jahr Führungspersönlichkeiten aus der Energiebranche um ein Fazit zum Energiejahr gebeten. Heute ziehen Michael Frank (Direktor VSE), Daniela Decurtins (Direktorin VSG) und Ronny Kaufmann (CEO Swisspower) ihre persönliche Jahresbilanz.
Lässt man das Jahr Revue passieren, scheint es leider so, als wir hätten einen Schritt vorwärts und zwei zurück gemacht: Erstens mit dem Scheitern des Rahmenabkommens im Mai. Damit verbunden ist die letzte Hoffnung auf ein Stromabkommen gestorben. Dabei ist allen klar, dass eine möglichst effiziente und hindernisfreie Kooperation mit der EU für die Schweiz absolut zentral ist. Das fehlende Abkommen führt zu gravierenden Systemrisiken, hohen Kosten für die Schweizer Stromkonsumentinnen und -konsumenten und wirkt sich negativ auf die Importfähigkeit, die Netzstabilität und damit auf die Versorgungssicherheit der Schweiz aus. Zweitens ist im Juni das revidierte CO2-Gesetz, für das sich der VSE stark engagiert hat, knapp an der Urne gescheitert. Ein halbes Jahr später blicken wir gespannt auf die vom Bundesrat für Anfang Jahr angekündigte neue Vorlage und fragen uns, was diese noch an Wirkung erzielen können wird, wenn sie mehrheitsfähig sein soll. Auch beim Ausbau der Erneuerbaren geht es weiterhin nur schleppend vorwärts: Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass wir uns wegen der zunehmenden Auflagen sogar eher rückwärts bewegen. Im besten Fall kommen wir im Schneckentempo vorwärts.
Die Technologien, die es braucht, sind zwar bekannt, auch das Kapital wäre vorhanden. Aber es fehlt am Willen aller, am gleichen Strick zu ziehen und die Projekte auch umzusetzen. Ein gutes Klima braucht unbedingt alle Erneuerbaren ‑ jede Kilowattstunde zählt. Partikularinteressen dem Klima und damit uns allen überzuordnen, bringt uns nicht weiter und schadet letztlich wiederum nur dem Klima. Wir brauchen hier und jetzt einen massiven Ausbau inländischer erneuerbarer Stromproduktion. Gut ist: Die Dringlichkeit, beim Ausbau der inländischen Erneuerbaren vorwärtszumachen, ist mittlerweile allen klar. Die strukturellen Probleme, die sich durch das fehlende Stromabkommen, den schleppenden Ausbau der Erneuerbaren und den gleichzeitig steigenden Strombedarf durch Elektrifizierung abzeichnen, sind offensichtlich. So steht die Versorgungssicherheit, insbesondere im Winter, in Politik und Gesellschaft endlich im Fokus. Die in den laufenden Gesetzesrevisionen geplanten Massnahmen, insbesondere Investitionsanreize, Winter-Speicherwasserzubau und Energiereserven, sind denn auch richtig, werden aber allein nicht ausreichen. Der VSE hat jetzt, zum Jahresabschluss, eine Roadmap mit über 40 Massnahmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette erstellt, die aus seiner Sicht notwendig sind, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Die Herausforderungen sind riesig, der Handlungsbedarf zur Verbesserung der Stromversorgungssicherheit ist dringend. Grosse Schritte vorwärts kommen wir nur in einem engen Zusammenspiel aller relevanten Akteure und einem Ende der Blockaden beim Ausbau der Erneuerbaren. Wir müssen jetzt losmarschieren. Die Richtung ist klar.
Endlich, die Bedeutung der Stromversorgungssicherheit und die Risiken, die der Bund mit seiner Strategie eingeht, sind in der politischen Diskussion angekommen. Immer breitere Kreise der Bevölkerung werden sich bewusst, dass mit der zunehmenden Elektrifizierung und der Abhängigkeit von Stromimporten schon sehr kurzfristig Engpässe und Blackouts drohen können. Dazu tragen auch Mahnrufe aus den Hauptstromexportländern Deutschland und Frankreich bei, dass sie selbst in Engpässe reinlaufen. Der Bundesrat und die Verwaltung haben sich sehr viel Zeit gelassen. Erst das Scheitern des Rahmen- und damit des Stromabkommens mit der EU haben ihnen die Augen geöffnet.
Die Schweizer Gasbranche bekennt sich zur Netto-Null-Zielsetzung bei den Treibhausgasemissionen bis 2050. Sie sieht aber auch Ansätze, wie die Gasnetze und erneuerbares Gas einen Teil der Lösung hin zu einer klimaneutralen, aber widerstandsfähigen Energieversorgung sein könnten. Es gibt heute eine Vielzahl unterschiedlicher Gasanwendungen. Verschiedene werden rückläufig sein, weil gewisse Alternativen attraktiver werden. In vielen Fernwärmelösungen ist Gas aber das Rückgrat für Zeiten mit Spitzennachfrage. Oder WKK-Anlagen liefern zusätzlich Strom, um die immer grösser werdende Winterlücke auszugleichen. Hier besteht noch ein beträchtliches ungenutztes Potenzial. Für Hochtemperaturprozesse in der Industrie wiederum gibt es kaum Alternativen zu Gas. Dies gilt auch für historische Quartiere in Stadtkernen, wo bauliche Eingriffe nur sehr schwer umsetzbar sind.
Neben Biogas und synthetischem Methan ist Wasserstoff, der aus erneuerbarem Strom produziert wird, mehr als ein Hoffnungsträger, auch in der Schweiz. Das zeigen die zahlreichen Wasserstoffprojekte, die in der Umsetzung oder in Planung sind. Da Wasserstoff immer mehr an Bedeutung gewinnt, hat die Schweizer Gaswirtschaft nicht nur ihre Forschungs- und -entwicklungsstrategie mit dem Thema Wasserstoff ergänzt, sondern auch das bisherige Fördermodell des Biogasfonds überarbeitet. Unterstützt wird seit Juli 2021 neben Biogas neu auch die Produktion von synthetischem Methan sowie grünem Wasserstoff.
Mit den Energieperspektiven 2050+ hat der Bund mögliche Bilder von der künftigen Energieversorgung der Schweiz mit Zielsetzung Netto-Null CO2-Emissionen aufgezeigt. Sie basieren teilweise auf einer starken Elektrifizierung der Wärmeversorgung und der Mobilität, teilweise aber auch auf einem verstärkten Einsatz von erneuerbarem Gas und Wasserstoff. Die Szenarien belegen, dass Netto-Null über verschiedene Wege erreicht werden kann. Die Diskussion über die Stromversorgungssicherheit im Winter legt eine Strategie nahe, die auf verschiedene Energieträger setzt und bestehende Infrastrukturen nutzt, sicherer, wirtschaftlicher und resilienter ist. In einer solchen Strategie haben Gas und seine Infrastruktur einen festen Platz. Es braucht aber auch entsprechende Rahmenbedingungen, die Sektorenkopplung, Kopplungstechnologien wie WKK und Power-to-Gas sowie den Markthochlauf von erneuerbarem Gas und Wasserstoff begünstigen. Daran müssen wir alle noch arbeiten.
Mit der Versorgungssicherheit ist dieses Jahr eine Kernaufgabe unserer Energieversorgung in der öffentlichen Debatte angekommen. Ich bin froh, dass wir diese Diskussion führen. Es ist aber wichtig, dass wir nicht nur reden, sondern auch handeln, und zwar rasch. Bei Swisspower haben wir in diesem Jahr verschiedene Lösungsansätze vorangetrieben: Wir haben ein Konzept für dezentrale, klimaneutrale WKK-Anlagen zur Produktion von Winterstrom und Wärme mitentwickelt, wir engagieren uns für PV-Anlagen im alpinen Raum, und wir möchten das grosse Potenzial der Energieeffizienz nutzen. Es wird viele verschiedene Massnahmen brauchen, damit wir auch künftig eine zuverlässige Energieversorgung haben. Wichtig ist mir, dass wir dabei das Ziel der Klimaneutralität konsequent weiterverfolgen.
Michael Frank, Direktor Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen VSE
Lässt man das Jahr Revue passieren, scheint es leider so, als wir hätten einen Schritt vorwärts und zwei zurück gemacht: Erstens mit dem Scheitern des Rahmenabkommens im Mai. Damit verbunden ist die letzte Hoffnung auf ein Stromabkommen gestorben. Dabei ist allen klar, dass eine möglichst effiziente und hindernisfreie Kooperation mit der EU für die Schweiz absolut zentral ist. Das fehlende Abkommen führt zu gravierenden Systemrisiken, hohen Kosten für die Schweizer Stromkonsumentinnen und -konsumenten und wirkt sich negativ auf die Importfähigkeit, die Netzstabilität und damit auf die Versorgungssicherheit der Schweiz aus. Zweitens ist im Juni das revidierte CO2-Gesetz, für das sich der VSE stark engagiert hat, knapp an der Urne gescheitert. Ein halbes Jahr später blicken wir gespannt auf die vom Bundesrat für Anfang Jahr angekündigte neue Vorlage und fragen uns, was diese noch an Wirkung erzielen können wird, wenn sie mehrheitsfähig sein soll. Auch beim Ausbau der Erneuerbaren geht es weiterhin nur schleppend vorwärts: Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass wir uns wegen der zunehmenden Auflagen sogar eher rückwärts bewegen. Im besten Fall kommen wir im Schneckentempo vorwärts.
Die Technologien, die es braucht, sind zwar bekannt, auch das Kapital wäre vorhanden. Aber es fehlt am Willen aller, am gleichen Strick zu ziehen und die Projekte auch umzusetzen. Ein gutes Klima braucht unbedingt alle Erneuerbaren ‑ jede Kilowattstunde zählt. Partikularinteressen dem Klima und damit uns allen überzuordnen, bringt uns nicht weiter und schadet letztlich wiederum nur dem Klima. Wir brauchen hier und jetzt einen massiven Ausbau inländischer erneuerbarer Stromproduktion. Gut ist: Die Dringlichkeit, beim Ausbau der inländischen Erneuerbaren vorwärtszumachen, ist mittlerweile allen klar. Die strukturellen Probleme, die sich durch das fehlende Stromabkommen, den schleppenden Ausbau der Erneuerbaren und den gleichzeitig steigenden Strombedarf durch Elektrifizierung abzeichnen, sind offensichtlich. So steht die Versorgungssicherheit, insbesondere im Winter, in Politik und Gesellschaft endlich im Fokus. Die in den laufenden Gesetzesrevisionen geplanten Massnahmen, insbesondere Investitionsanreize, Winter-Speicherwasserzubau und Energiereserven, sind denn auch richtig, werden aber allein nicht ausreichen. Der VSE hat jetzt, zum Jahresabschluss, eine Roadmap mit über 40 Massnahmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette erstellt, die aus seiner Sicht notwendig sind, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Die Herausforderungen sind riesig, der Handlungsbedarf zur Verbesserung der Stromversorgungssicherheit ist dringend. Grosse Schritte vorwärts kommen wir nur in einem engen Zusammenspiel aller relevanten Akteure und einem Ende der Blockaden beim Ausbau der Erneuerbaren. Wir müssen jetzt losmarschieren. Die Richtung ist klar.
Daniela Decurtins, Direktorin Verband der Schweizerischen Gasindustrie VSG
Endlich, die Bedeutung der Stromversorgungssicherheit und die Risiken, die der Bund mit seiner Strategie eingeht, sind in der politischen Diskussion angekommen. Immer breitere Kreise der Bevölkerung werden sich bewusst, dass mit der zunehmenden Elektrifizierung und der Abhängigkeit von Stromimporten schon sehr kurzfristig Engpässe und Blackouts drohen können. Dazu tragen auch Mahnrufe aus den Hauptstromexportländern Deutschland und Frankreich bei, dass sie selbst in Engpässe reinlaufen. Der Bundesrat und die Verwaltung haben sich sehr viel Zeit gelassen. Erst das Scheitern des Rahmen- und damit des Stromabkommens mit der EU haben ihnen die Augen geöffnet.
Die Schweizer Gasbranche bekennt sich zur Netto-Null-Zielsetzung bei den Treibhausgasemissionen bis 2050. Sie sieht aber auch Ansätze, wie die Gasnetze und erneuerbares Gas einen Teil der Lösung hin zu einer klimaneutralen, aber widerstandsfähigen Energieversorgung sein könnten. Es gibt heute eine Vielzahl unterschiedlicher Gasanwendungen. Verschiedene werden rückläufig sein, weil gewisse Alternativen attraktiver werden. In vielen Fernwärmelösungen ist Gas aber das Rückgrat für Zeiten mit Spitzennachfrage. Oder WKK-Anlagen liefern zusätzlich Strom, um die immer grösser werdende Winterlücke auszugleichen. Hier besteht noch ein beträchtliches ungenutztes Potenzial. Für Hochtemperaturprozesse in der Industrie wiederum gibt es kaum Alternativen zu Gas. Dies gilt auch für historische Quartiere in Stadtkernen, wo bauliche Eingriffe nur sehr schwer umsetzbar sind.
Neben Biogas und synthetischem Methan ist Wasserstoff, der aus erneuerbarem Strom produziert wird, mehr als ein Hoffnungsträger, auch in der Schweiz. Das zeigen die zahlreichen Wasserstoffprojekte, die in der Umsetzung oder in Planung sind. Da Wasserstoff immer mehr an Bedeutung gewinnt, hat die Schweizer Gaswirtschaft nicht nur ihre Forschungs- und -entwicklungsstrategie mit dem Thema Wasserstoff ergänzt, sondern auch das bisherige Fördermodell des Biogasfonds überarbeitet. Unterstützt wird seit Juli 2021 neben Biogas neu auch die Produktion von synthetischem Methan sowie grünem Wasserstoff.
Mit den Energieperspektiven 2050+ hat der Bund mögliche Bilder von der künftigen Energieversorgung der Schweiz mit Zielsetzung Netto-Null CO2-Emissionen aufgezeigt. Sie basieren teilweise auf einer starken Elektrifizierung der Wärmeversorgung und der Mobilität, teilweise aber auch auf einem verstärkten Einsatz von erneuerbarem Gas und Wasserstoff. Die Szenarien belegen, dass Netto-Null über verschiedene Wege erreicht werden kann. Die Diskussion über die Stromversorgungssicherheit im Winter legt eine Strategie nahe, die auf verschiedene Energieträger setzt und bestehende Infrastrukturen nutzt, sicherer, wirtschaftlicher und resilienter ist. In einer solchen Strategie haben Gas und seine Infrastruktur einen festen Platz. Es braucht aber auch entsprechende Rahmenbedingungen, die Sektorenkopplung, Kopplungstechnologien wie WKK und Power-to-Gas sowie den Markthochlauf von erneuerbarem Gas und Wasserstoff begünstigen. Daran müssen wir alle noch arbeiten.
Ronny Kaufmann, CEO Swisspower
Mit der Versorgungssicherheit ist dieses Jahr eine Kernaufgabe unserer Energieversorgung in der öffentlichen Debatte angekommen. Ich bin froh, dass wir diese Diskussion führen. Es ist aber wichtig, dass wir nicht nur reden, sondern auch handeln, und zwar rasch. Bei Swisspower haben wir in diesem Jahr verschiedene Lösungsansätze vorangetrieben: Wir haben ein Konzept für dezentrale, klimaneutrale WKK-Anlagen zur Produktion von Winterstrom und Wärme mitentwickelt, wir engagieren uns für PV-Anlagen im alpinen Raum, und wir möchten das grosse Potenzial der Energieeffizienz nutzen. Es wird viele verschiedene Massnahmen brauchen, damit wir auch künftig eine zuverlässige Energieversorgung haben. Wichtig ist mir, dass wir dabei das Ziel der Klimaneutralität konsequent weiterverfolgen.
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