
Unter anderem die Resultate des "runden Tisch Wasserkraft" stimmen Albert Rösti zuversichtlich. (Foto: Albert Rösti)
Olten (energate) - Zum Jahresabschluss hat energate wie jedes Jahr Führungspersönlichkeiten aus der Energiebranche um ein Fazit zum Energiejahr gebeten. Heute ziehen Albert Rösti (Präsident Schweizer Wasserwirtschaftsverband), Gabriela Suter (Vizepräsidentin Swissolar), Nathalie Andenmatten-Berthoud (Präsidentin Geothermie-Schweiz) und Lionel Perret (Geschäftsleiter Suisse Eole) ihre persönliche Jahresbilanz.
Albert Rösti, Präsident Schweizer Wasserwirtschaftsverband und Nationalrat
Der Schweizerische Wasserwirtschaftsverband, SWV, kann positiv auf das Jahr 2021 zurückblicken. Die weltweit steigenden Energiepreise einerseits sowie die Entscheide im eidgenössischen Parlament andererseits zeigen unmissverständlich, wie bedeutend die Stromproduktion aus Wasserkraft heute und noch mehr in Zukunft für die Schweiz ist. In einer kaum vorher in der Energiepolitik beobachtbaren Einigkeit haben Ständerat und Nationalrat im Rahmen einer dem Mantelerlass, basierend auf der parlamentarischen Initiative Girod, vorgezogenen Teilrevision des Energiegesetzes die Fördermöglichkeiten von erneuerbaren Energien verlängert. Wir erwarten, dass dank dem Erhalt der Marktprämie als Absicherung gegen allenfalls auch mal wieder sinkende Strompreise und der Verbesserung der Fördersätze die Investitionsbereitschaft der Unternehmen steigt. Dazu sollte auch der "runde Tisch Wasserkraft" beitragen, an dem sich die Stakeholder auf eine Prioritätenliste von Projekten, die den Zubau von 2 TWh Speicherkapazität aus Wasserkraft ermöglichen sollen, geeinigt haben. Von Seiten des SWV sind wir uns bewusst, dass vor der Realisierung dieser Projekte einerseits die Rentabilität gesichert werden muss und andererseits Verhandlungen mit den Schutzverbänden betr. den notwendigen Ausgleichsmassnahmen bevorstehen. Mit der Prioritätenordnung ist aber sichergestellt, dass man die Kräfte auf die richtigen Projekte konzentriert. Insofern stimmt uns das Resultat des runden Tisches zuversichtlich. Schliesslich, hört man die Elcom und das Bundesamt für Bevölkerungsschutz an, hat die Schweiz ja keine andere Wahl, als massiv in Stromproduktionskapazitäten vor allem für die Wintermonate zu investieren, will sie nicht dereinst mit einer Strommangellage ihren ganzen Wohlstand aufs Spiel setzen. Der Verhinderung dieses Szenarios gilt es in den kommenden Jahren in der Energie- und Umweltpolitik alles unterzuordnen. Dies beginnt konkret im neuen Jahr mit der Beratung des Mantelerlasses zur Revision des Energie- und Stromversorgungsgesetzes.
Gabriela Suter, Vizepräsidentin Swissolar und Nationalrätin
Das knappe Nein zum CO2-Gesetz gehört für mich zu den grossen Enttäuschungen im Jahr 2021. Wir verlieren damit wertvolle Zeit bei der Dekarbonisierung unserer Energieversorgung. Ich bin mir jedoch sicher, dass die Mehrheit der Bevölkerung entschlossenes Handeln gegen die Klimakrise wünscht. Das deutliche Ja zum Zürcher Energiegesetz und das damit verbundene Ende für fossile Heizungen ist ein Zeichen dafür. Klar ist aber auch, dass es für den Ersatz von fossilen Brenn- und Treibstoffen sehr viel mehr Strom braucht, und dass dieser zu einem grossen Teil aus Photovoltaikanlagen stammen wird. Umso erfreulicher, dass der Photovoltaik-Zubau 2021 gegenüber dem Vorjahr um mindestens 25 Prozent zulegen konnte - die Schwelle von 600 MW wurde möglicherweise überschritten. Dies trotz Lieferengpässen bei verschiedenen Komponenten, von denen auch die Solarbranche betroffen war.
Zu den Highlights gehörte auch das fast einstimmige Ja der eidg. Räte zur parl. Initiative Girod, mit der ab 2023 PV-Anlagen ohne Eigenverbrauch stärker gefördert werden können. Dies schafft Anreize zur Nutzung der Solarpotenziale auf Infrastrukturen (z.B. Lärmschutzwände, Parkplatzüberdachungen), Lagerhallen und Ställen. Gute Voraussetzungen, damit es auch in den nächsten Jahren aufwärts geht - aber es braucht noch deutlich mehr für eine Verdreifachung des jährlichen Zubaus, wie sie Swissolar verlangt. Nächstes Jahr können wir die entscheidenden Weichen stellen, damit dies gelingt: Mit dem "Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien" (Mantelerlass) müssen die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Investoren verbessert werden, und mit der Revision des Raumplanungsgesetzes, bzw. -verordnung muss der Bau von PV-Anlagen vereinfacht werden - in gewissen Fällen auch ausserhalb überbauter Gebiete, z.B. in Form von Agri-Photovoltaik.
Nathalie Andenmatten-Berthoud, Präsidentin Geothermie-Schweiz
Bis 2050 soll ein Viertel des Schweizer Wärmebedarfs durch Geothermie gedeckt werden. Wir können dieses Ziel erreichen, denn bereits 2021 hat die Geothermie mächtig Tempo zugelegt. Bei den Erdwärmesonden (untiefe Geothermie) ist die Dynamik der Schweiz an der Spitze der Weltrangliste ungebrochen. Und jetzt entwickelt sich auch die mitteltiefe und tiefe Geothermie immer schneller. Im Bereich Wärme hat der Bund bisher sechs Gesuche behandelt. Mit vier bis sechs weiteren Gesuchen ist in den nächsten beiden Jahren zu rechnen. Auch das Interesse an Stromprojekten ist neu erwacht. Derzeit wird ein Gesuch geprüft. Mindestens ein bis zwei weitere Strom-Gesuche dürften bald folgen. Angesichts der langen Vorbereitungszeiten von Geothermie-Projekten sind solche Zahlen bemerkenswert!
Gewiss: Heute liegt die Dynamik noch eher in der Westschweiz. Doch der Schwung greift von den Kantonen Genf, Waadt, Freiburg und Wallis auch auf die Deutschschweiz über. So hat der Bund 2021 in Magglingen sein erstes Geothermie-Projekt lanciert. Die dortige Sportinfrastruktur soll vollständig mit umweltfreundlicher Erdwärme beheizt und gekühlt werden. In Riehen (BS) laufen die Arbeiten für eine zweite Geothermieanlage auf Hochtouren. Im Kanton Schwyz wiederum verlangt ein parteiübergreifender Parlamentsvorstoss einen Neustart für die Geothermie als einheimische Energiequelle. Und im Thurgau schliesslich beantragt der Regierungsrat dem Parlament rund 30 Millionen Franken für die Erkundung des tieferen Untergrunds. Doch damit nicht genug. Auch schweizweit soll dieser Untergrund systematisch erkundet werden. National- und Ständerat haben 2021 den Bundesrat dazu beauftragt. Die Erkundungen werden den heute noch unbekannten, tieferen Schweizer Untergrund transparenter und für Projektanten berechenbarer machen. Entsprechend sinken die Risiken für Neu-Projekte.
Um solche Neu-Projekte weiter zu erleichtern, hat Geothermie-Schweiz in diesem Jahr das Programm "Transfer" intensiv vorangetrieben. Das Programm fördert den Austausch von Wissen, Erfahrungen und Technologien unter den Geothermie-Akteuren. Dadurch wird die Wertschöpfungskette Geothermie in den Regionen entwickelt und gestärkt sowie ein Beitrag zur Reduktion der CO2-Emissionen geleistet.
Lionel Perret, Geschäftsleiter Suisse Eole
Seit anfangs 2021 stiegen die Stromkosten pro Kilowattstunde an der europäischen Strombörse EEX je nach Produkt um den Faktor 10, wenn nicht gar 20 an. Der Jahreskontrakt für 2022 für die Schweiz wird Ende Dezember über 30 cts €/kWh gehandelt. Damit sind sowohl Solarstrom- wie auch Strom aus Windenergieanlagen wirtschaftlich. Doch ein Jahr lang steigende Strompreise nach einer über Jahre andauernden Tiefstpreisperiode bringt noch nicht die nötige Investitionssicherheit, die wir für eine sichere einheimische, erneuerbare Energieversorgung brauchen. Für die Versorgungssicherheit im Winter zählt jede Kilowattstunde Windstrom, denn so können Wasserreserven in den Speicherseen geschont werden. Suisse Eole fordert deshalb zusätzlich zu Investitionshilfen eine gesicherte Vergütung von 11 Rp./kWh für einheimischen Winterstrom.
Gemäss der Elcom wurde in der Woche 50 in der Schweiz mit 33,1 cts €/kWh der höchste wöchentliche durchschnittliche Spotpreis des Jahres 2021 erreicht. Im Oktober erzielte der Intraday-Preis einen Höchststand von 44 cts €/kWh, das entspricht einer Erhöhung um einen Faktor 10 gegenüber Anfang Jahr. Ein Blick auf www.energy-charts.info zeigt, dass der Intradaypreis am 21.12. sogar über 60 cts €/kWh stieg.
Mit Preisen deutlich über 15 cts €/kWh ist Windenergie auch in der Schweiz konkurrenzfähig, Standortgemeinden und Anlagenbetreiber könnten sich über gute, sichere Einnahmen freuen. Damit allerdings die für die Energiestrategie nötigen Investitionen getätigt werden, braucht es zusätzliche Investitionssicherheit. Da Windenergieanlagen zwei Drittel der Produktion im Winter liefern, fordert Suisse Eole zusätzlich zum Investitionsbeitrag eine garantierte Vergütung von 11 Rp./kWh Strom im Winter und von 6 Rp./kWh im Sommer. Nach dem Vorbild des Contract for Difference (CFD) würde bei hohen Strompreisen die Differenz zwischen dem garantierten Preis und dem realisierten Preis am Markt wieder an den Bund und idealerweise auch ein Teil an die Standortgemeinden zurückfliessen. Eine eigentliche Win-Win-Situation: Der garantierte Mindestpreis schafft für die Anlagenbetreiber Investitionssicherheit und der Bund, sprich die Bevölkerung, erhält dadurch eine höhere Versorgungssicherheit mit einheimischem, erneuerbarem Windstrom in den wichtigen Wintermonaten.
Die Preise für Gas- und Erdöl steigen so rasch wie schon lange nicht mehr und ziehen die Strompreise mit sich. Deshalb hat der Bund das Programm "Ostral - Organisation für Stromversorgung in ausserordentlichen Lagen" in die Wege geleitet. Dieses kann kurzfristig eingeführt werden und beinhaltet neben Sparaufrufen die Massnahmen Sofortkontingentierung und Kontingentierung. Die Sofortkontingentierung ist innerhalb von wenigen Tagen einsatzbereit, die Kontingentierung benötigt eine Vorlaufzeit von ungefähr einem Monat. Mit bereits heute gefährlich tiefen Beständen in den Gaslagern Europas und der Schweiz, die sich notabene in Frankreich befinden, könnte Ostral schneller aktiviert werden, als gedacht.
Das müsste nicht sein, denn obwohl im Frühling der Windpark Sainte-Croix vom Bundesgericht grünes Licht erhalten hat und 4 Anlagen auf dem Grenchenberg gebaut werden dürfen, warten leider immer noch 7 Windparks mit insgesamt 64 Anlagen auf einen Entscheid der höchsten Schweizer Richter! Die Energiestrategie 2050 sieht für das Jahr 2035 eine Produktion aus Windenergie von 1,7 TWh/a vor. Gemeinsam mit den bestehenden Windenergieanlagen könnte die Schweiz durch die Realisierung der Projekte in den Verfahren sowie denjenigen in Planung dieses Zwischenziel mehr als übertreffen. Denn jede in der Schweiz produzierte Kilowattstunde Windstrom hilft, die Wasserreserven im Winter in den Speicherseen bis zur kritischen Zeit Ende Winter zu sparen.
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