Olten (energate) - Zum Jahresabschluss hat energate wie jedes Jahr Führungspersönlichkeiten aus der Energiebranche um ein Fazit zum Energiejahr gebeten. Heute ziehen Jürg Grossen (Präsident "Swiss eMobility"), Kurt Lüscher (Geschäftsführer Powerloop) und Arthur Janssen (Präsident Verein der H2-Produzenten) ihre persönliche Jahresbilanz.
Jürg Grossen, Präsident "Swiss eMobility"
Ein weiteres Rekordjahr der Elektromobilität neigt sich dem Ende zu. Kurz vor Weihnachten betrug der Anteil der Steckerfahrzeuge bei den Neuwagenzulassungen über 30 Prozent. Noch nie wurde annähernd ein so hoher Wert in einem Kalendermonat erzielt. Dies entspricht einer Verdoppelung des Marktanteiles seit Anfang 2021. So zeigt auch das im Juli veröffentlichte Szenario 2035 von "Swiss eMobility" klar auf: Die Elektromobilität wird in sehr naher Zukunft die Vormachtstellung der Verbrenner übernehmen und diese in eine Nische drängen, respektive ins Fahrzeugmuseum verbannen. Damit wird unsere Mobilität sauberer, energieeffizienter und wir befreien uns immer mehr von der fossilen Abhängigkeit.
Damit wir diesen Mehrwert bestmöglich nutzen können, muss die Elektromobilität als Teil eines ganzheitlichen Systems verstanden werden. Beginnend bei der Produktion von erneuerbarem Strom, der intelligenten und netzschonenden Verteilung über die Nutzung der Autobatterie als Energiespeicher und schlussendlich der effiziente Betrieb der Fahrzeuge selbst. Um dieses Zusammenspiel weiter zu fördern, haben Swissolar, die Fachvereinigung Wärmepumpen Schweiz, "SmartGridready" und "Swiss eMobility" in diesem Jahr die Initiative "Energiesystem Gebäude & Mobilität" lanciert. Denn die Auto- wie auch die Energiewende sind nur gemeinsam umsetzbar.
Dreh- und Angelpunkt dieser "Apollo"-Projekte ist die Verbindung zwischen Mobilem und Immobilem. Diese Schnittstelle ist deshalb in diesem Jahr stark in den Fokus gerückt. Die Netzintegration von Ladestationen für Elektroautos ist für die Elektromobilität wie auch für unser Stromnetz von zentraler Bedeutung. Die Profile für eine zukunftsfähige Entwicklung unserer Mobilität wurden 2021 gesetzt. Die erfolgreiche Umsetzung erwirken wir nur in einem ganzheitlichen System. Im Jahr 2022 wird es mit der Revision des Energie-, Stromversorgungs- und CO2-Gesetzes auch politisch konkret. Ich freue mich darauf.
Kurt Lüscher, Mitglied des Vorstandes / Geschäftsführer Powerloop
Wahrscheinlich hat es das gescheiterte Rahmenabkommen gebraucht, um die Versorgungssicherheit im Winter endlich mit dem notwendigen Nachdruck auf die politischen Agenden zu bringen. Immer wieder wurde diese grosse Herausforderung ausgeklammert, letztmals bei der Erstellung der Energieperspektiven 2050+. Zudem hat uns die intensive und notwendige Diskussion um den zügigen Ausbau von Photovoltaik bewusst gemacht, dass wir gerade im Winter ergänzende Lösungen zur dezentralen Energieproduktion brauchen. So ist es wohl kein Zufall, dass wir bei Powerloop durch Exponenten der Solarbranche auf die Idee gekommen sind, das Powerloop-Modell zu lancieren. Für die Kommunikation haben wir es primär als Versicherungslösung in Situationen von Strommangel und bei Blackout-Gefahr positioniert. Das Konzept wurde in den Medien, bei Behörden und insbesondere auch bei einer grossen Anzahl wichtiger Verbände (wie Swisspower und AEE Suisse) sehr positiv aufgenommen, verbunden allerdings mit der Forderung, dass die WKK-Anlagen mit erneuerbarer Energie betrieben werden müssen. Wir sind sehr erfreut, dass dank dieser "neuen" Diskussion - neben den wichtigen Fragen der zentralen Produktion - eben gerade auch die dringend notwendige Weiterentwicklung der dezentralen Energiesysteme eine stärkere Bedeutung erhält. Wir wünschen uns sehr, dass die kommenden Monate und Jahre auch den dazu notwendigen gesetzlichen Rahmen schaffen werden. Dafür werden wir uns einsetzen.
Arthur Janssen, Präsident Verein der H2-Produzenten
Im Jahr 2021 durften wir eine rasante Entwicklung der Wasserstoffwirtschaft erleben. In der Schweiz entstanden zahlreiche privatwirtschaftliche Initiativen: Produktionsanlagen, LKW- und Busflotten auf Wasserstoff-Basis oder der H2-Hub Schweiz. Diese bilden meist stark regional voneinander abgegrenzte Ökosysteme mit Pilotcharakter, die aber durchaus auch wirtschaftlich nachhaltig sind. Ich blicke mit Freude darauf, dass ein neuer Wirtschaftszweig entsteht, der der Schweiz hilft, die Klimaziele zu erreichen.
Als Verein der H2-Produzenten konnten wir entsprechend dieser Fortschritte ebenfalls stark wachsen. Mit einer mittlerweile schweizweiten Abdeckung konnten wir wichtige technische und regulatorische Themen adressieren. Wir freuen uns über die sich weiterentwickelnde Zusammenarbeit mit Verbänden, Forschungsinstitutionen und dem Bund. Insbesondere freuen wir uns aber über konkrete Schritte in Richtung Produktion von grünem Wasserstoff.
Dieses positive Zwischenfazit soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass umliegende Länder uns immer noch weit voraus sind. In Europa gibt es bereits richtungweisende Wasserstoffstrategien, es werden regulatorischen Voraussetzungen geschaffen und die Umsetzung transeuropäischer Infrastrukturen und Märkte ist mit Milliarden-Investitionen in vollem Gange. Wir dürfen als Schweiz den Anschluss nicht verpassen.
Somit sind die Aufgaben für 2022 klar: Wir müssen weiter an den Wasserstoff-Ökosystemen arbeiten, um die Energieziele zu erreichen. Bald werden wir auch definieren müssen, welche Anwendungen für grünen Wasserstoff in der Schweiz prioritär sind - und wie wir dem zukünftigen Bedarf mittels Skalierung nachkommen können. Dafür braucht es ein gemeinsames Verständnis, viel konkrete Umsetzungsarbeit und nicht zuletzt ein bisschen Mut beim Gewähren von Freiraum für diese spannende Technologie.