Essen (energate) - Die Energiekonzerne RWE und Uniper blicken grundsätzlich positiv auf die neue EU-Taxonomie und die darin enthaltene Einstufung von Gaskraftwerken als nachhaltig. Denn ein "einheitliches europäisches Nachhaltigkeitssiegel" schaffe mehr Klarheit für alle Marktakteure, betonten Vertreter der Unternehmen bei einem von der Rechtsanwaltskanzlei Rosin Büdenbender organisierten Webinar. "Investoren erwarten gerade von Unternehmen mit historisch hohen CO2-Emissionen klare Anstrengungen zur Dekarbonisierung", sagte Alexander Nolden, Chefvolkswirt von RWE. Aktuell habe der Energiekonzern bei der Investorensuche allerdings mit einem "Flickenteppich von privaten Nachhaltigkeitsbewertungen" zu kämpfen. Die Taxonomie könnte dies künftig beenden, hofft Nolden.
"Wir brauchen Kraftwerke, die ordentlich kWh machen"
Allerdings weise die Anfang Februar auf den Weg gebrachte Taxonomieverordnung (
energate berichtete) - trotz einiger Anpassungen im Vergleich zu der Version von Ende Dezember - noch einige Schwachstellen auf. "Energiewirtschaftlich sind einige Punkte nicht nachvollziehbar", kritisierte Nolden. So sei es etwa einfacher, anhand der Nachhaltigkeitskriterien eine offene Gasturbine zu errichten als ein effizientes Gas- und Dampfkraftwerk. Hintergrund dafür ist das in der Taxonomie vorgeschriebene Emissionsbudget von 550 Kilogramm CO2 pro installierter kW und Jahr. "Die Turbinen mit den wesentlich geringeren Volllaststunden werden keine Probleme haben, das Budget einzuhalten", so Nolden. Vor dem Hintergrund des deutschen Kohle- und Atomausstiegs brauche es aber "Kraftwerke, die ordentlich kWh machen" und dabei auf 5.000 bis 6.000 Betriebsstunden kommen.
Bis zu 50 neue Gaskraftwerke für deutschen Kohle- und Atomausstieg
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) geht von einer benötigten Leistung von 15.000 bis 20.000 MW aus Gaskraftwerken bis 2030 aus. "Dafür braucht es 40 bis 50 neue Kraftwerke", rechnete Carsten Rolle, Abteilungsleiter Energie- und Klimapolitik beim BDI, vor. Das Zeitfenster sei mit Blick auf die Länge von Genehmigungsverfahren - gerade für neue Kraftwerksstandorte - nur klein. Deswegen werde die Taxonomie allein nicht ausreichen, um den Bau von ausreichend Kraftwerkskapazität anzureizen, waren sich die Beteiligten einig. Auch wegen der schlechten Erfahrungen, welche die Energiekonzerne mit ihren Kohlemeilern gemacht haben. "Wir haben ein Kohlekraftwerk 2014 ans Netz gebracht, um es 2020 unter ordnungsrechtlichem Druck stilllegen zu müssen. Das wollen wir nicht nochmal erleben", betonte Nolden.
Auch Uniper sieht "deutliche Risiken" einer Investition
Unterstützung erfährt er dabei vom Konkurrenten Uniper. "Natürlich wollen wir grundsätzlich beim Neubau von Gaskraftwerken mitspielen", sagte Sebastian Veit, Senior Vice President Governmental Relations bei Uniper. Aber es gebe noch "deutliche Risiken" bei einer entsprechenden Investitionsentscheidung. Zumal sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als einmal gezeigt habe, "wie schnell politische Rahmenbedingungen angepasst werden", merkte Veit an. Deswegen sei es neben Investitionszuschüssen unerlässlich, das Marktdesign "anzufassen" und die gesicherte Leistung zu vergüten. Weitere Forderungen der Energieerzeuger: ein Anschluss der Kraftwerke an das Wasserstoffnetz sowie eine ausreichende Verfügbarkeit von Wasserstoff, um bis 2036 den Fuel Switch zu vollziehen.
Auch der BDI betonte nochmals die Wichtigkeit der zur Verfügung stehenden Wasserstoffinfrastruktur: "Um ein süddeutsches Gaskraftwerk eine Stunde laufen zu lassen, bräuchte es rund 40 LKW mit Flüssigwasserstoff", so Rolle. Deswegen sei es wichtig und richtig gewesen, dass die EU die Zwischenziele für neue Gaskraftwerke gestrichen habe. Im ersten Entwurf sollten bis zum 1. Januar 2026 mindestens 30 Prozent und bis zum 1. Januar 2030 mindesten 55 Prozent erneuerbare oder CO2-arme Gase in der Taxonomie Pflicht sein. Die jetzt anvisierte Beimischung ab Mitte der 2030er Jahre sei dagegen "deutlich realistischer", so Rolle. /ml