Karlsruhe (energate) - Beim Import von Wasserstoff sollte die Bundesregierung die politischen Risiken in den Partnerländern stärker gewichten. Dies ist eine der Empfehlungen, die das Fraunhofer ISI zusammen mit Forschungspartnern in einem neuen Papier veröffentlicht hat. Darin befassen sich die Forscherinnen und Forscher vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine unter anderem mit neuen Ansätzen der Bewertung von Partnerländern beim Wasserstoffimport, der Entwicklung von Importkosten und den Potenzialen für eine Wasserstoffherstellung in der EU. Zudem geht
das Papier auf die künftige wirtschaftliche Entwicklung der Ukraine durch die Erzeugung und den Transport von Wasserstoff ein.
Konkret empfehlen die Wissenschaftler unter anderem, neben der technischen Verfügbarkeit und dem Preis auch die Versorgungssouveränität stärker zu beachten und Partnerländer mehr auf ihre politische Zuverlässigkeit hin zu bewerten. Geopolitische Überlegungen und wertegeleitete Handelsbeziehungen sollten demnach in der Wasserstoffstrategie eine wichtigere Rolle spielen. Zuletzt sprach Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) mit Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten über zusätzliche Gaslieferungen und über Wasserstoff-Projekte (
energate berichtete). Seine Reise wurde angesichts der Menschenrechtslage in den Ländern teilweise kritisiert. Habeck verteidigte hingegen seine Bemühungen, die Abhängigkeit Deutschlands von russischem Gas zu verringern und die Energielieferungen zu diversifizieren.
H2-Perspektiven für die Ukraine
Auch die Fraunhofer-Forscher plädieren für eine diversifizierte Wasserstoffversorgung. Dazu beitragen könnten laut dem Papier etwa die USA und Kanada, Chile, Brasilien, Argentinien oder Südafrika, Marokko, Ägypten und Namibia. Offen bleibt aber, wie grosse Mengen Wasserstoff in Zukunft über grössere Distanzen transportiert und bezahlbar nach Europa gelangen können.
Die Wissenschaftler sehen auch Möglichkeiten für die Erzeugung und den Transport von Wasserstoff in der Ukraine. Das Land besitze langfristig viel Potenzial zur Herstellung von grünem Wasserstoff - potenziell bis 1400 TWh bis 2050. Voraussetzung sei, dass die Ukraine ein freies, unbesetztes Land bleibe. Laut Studie könnte die EU die Wasserstoffnachfrage perspektivisch aber auch weitestgehend selbst decken, insbesondere durch Photovoltaik und solarthermische Anlagen im Süden und Windkraftanlagen im Norden. Habeck streckt seine Fühler derweil ebenfalls innerhalb Europas aus. So sprach der Wirtschaftsminister kürzlich mit dem norwegischen Ministerpräsidenten über eine Zusammenarbeit in Energiefragen (
energate berichtete). Beide Länder wollen den Bau einer Pipeline von Norwegen nach Deutschland prüfen, mit der perspektivisch grüner Wasserstoff transportiert werden könnte. /ck