Interview
"Biogas aus landwirtschaftlicher Produktion könnte 10 bis 15 Prozent der Gasimporte ersetzen"
von

Ronan Bourse (links), neuer Vorsitzender der Geschäftsleitung von Ökostrom Schweiz, stand mit Vorgänger Stefan Mutzner energate Red und Antwort. (Foto: Ökostrom Schweiz)
Winterthur (energate) - Der Fachverband landwirtschaftliches Biogas (Ökostrom Schweiz) hat einen Generationenwechsel hinter sich: Nach 18 Jahren als Geschäftsführer hat Stefan Mutzner diese Aufgabe an Ronan Bourse übergeben. Im Interview erzählen Vorgänger und Nachfolger, weshalb auf Bauernhöfen produzierte Energie plötzlich sehr gefragt ist.
energate: Herr Mutzner, Sie haben als Geschäftsleiter den Aufbau von Ökostrom Schweiz zwei Jahrzehnte lang begleitet. Welche Themen haben Sie zum Schluss am meisten beschäftigt?
Mutzner: Unsere politischen Aktivitäten im Zusammenhang mit der Gesetzgebung für bestehende und neue Biogasanlagen standen zuletzt im Vordergrund. Mit dem Erreichten sind wir zufrieden: Unter anderem wurde die "Motion Fässler", die bessere Rahmenbedingungen für den Zubau von Biomasseanlagen schafft, vor knapp einem Jahr im Parlament angenommen (energate berichtete). Wir hatten uns lange dafür eingesetzt, jetzt muss die Bundesverwaltung mit der Umsetzung nachziehen. Ein erster Schritt ist die Revision der Energieförderungsverordnung (EnFV). Unsere wichtigsten Standpunkte sind in die Vorlage eingeflossen. Während der Vernehmlassung geht es nun darum, Detailfragen zu klären. Ein Hauptziel ist, dass Anlagen, die ausschliesslich Hofdünger als Biomasse verwerten, wirtschaftlich arbeiten können.
energate: Weshalb ist das wichtig?
Mutzner: Die energetische Verwertung von Hofdünger, also die Vergärung von Mist und Gülle sowie anderer landwirtschaftlicher Biomasse zu Biogas, birgt ein gewaltiges energetisches und stoffliches Potenzial, das in der Schweiz derzeit einfach brach liegt: Neben dem Biogas entsteht bei der Vergärung wertvoller Naturdünger, der reich an Phosphor und Stickstoff ist und so Handelsdünger ersetzen bzw. dessen Einsatz reduzieren kann. Derzeit verwertet die Landwirtschaft in der Schweiz aber nur rund 4 Prozent des anfallenden Hofdüngers energetisch. Der Grossteil der nicht landwirtschaftlichen organischen Reststoffe landet in Kehrichtverwertungsanlagen oder Abwasserreinigungsanlagen. Damit gehen die darin vorhandenen Nährstoffe für die Nutzung innerhalb des landwirtschaftlichen Kreislaufs verloren. Der Grund dafür ist, dass es keine gesetzliche Grundlage dafür gibt, dass organische Reststoffe energetisch und stofflich verwertet werden müssen.
energate: Auf der Website des Fachverbands heisst es, dass "Ökostrom vom Bauernhof" derzeit etwa 170 Mio. kWh Energie jährlich produziert, also rund 42.500 Haushalte versorgt. Wie hoch ist das zusätzliche Potenzial durch die Verwertung von Hofdünger?
Bourse: In der Landwirtschaft wurde im Bereich der Hofdünger ein nachhaltiges Biogaspotenzial von über 4 TWh wissenschaftlich ermittelt, von dem heute nicht einmal knapp 5 Prozent energetisch genutzt wird.
energate: Wie stehen die Chancen, dass dieses Potenzial in absehbarer Zeit nutzbar wird?
Mutzner: Die politische Akzeptanz gegenüber der Strom- und der Treib- und Brennstoffproduktion aus Biomasse ist allgemein gestiegen wegen der gestiegenen Strompreise und in jüngster Zeit besonders durch den Krieg in der Ukraine und die hohen Gaspreise. Dadurch ist die energetische Verwertung von Biomasse plötzlich ein Thema geworden.
energate: Welchen Einfluss haben die Energiepreise auf die Rolle von Biomasse im Schweizer Energiesystem? Wird sie nun zunehmend verstromt?
Bourse: Bei einem Strompreis von zeitweise 25 Rappen pro kWh wird Elektrizität aus Biomasse interessant. Für die Produzenten selbst ändert sich durch hohe Preise vorerst nicht viel, da im Rahmen der Kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) die Gestehungskosten für 20 Jahre gesichert sind. Für künftige Anlagen können höhere Energiepreise aber selbstverständlich eine wichtige Rolle spielen und für die Branche ganz grundsätzlich interessant sein.
energate: Inwiefern kann Biogas aus landwirtschaftlicher Produktion importiertes Erdgas ersetzen?
Bourse: Wir haben den möglichen Effekt kürzlich berechnet. Wenn wir die wirkliche Bedeutung unserer Branche in der Landwirtschaft voll entfalten können und unter anderem die Gestehungskosten gedeckt würden, könnte Biogas aus landwirtschaftlicher Produktion 10 bis 15 Prozent der Schweizer Gasimporte decken. Der Schlüssel dazu ist der Hofdünger: Er stellt das nötige Potenzial bereit. Die anderen organischen Biomassequellen sind meistens schon benutzt.
energate: Gibt es auch technologische Entwicklungen, die das Potenzial vergrössern können?
Mutzner: Der grösste Zubau der erneuerbaren Energien im Strombereich findet nach wie vor in der Photovoltaik statt. Dort war die technologische Entwicklung denn auch ungleich stärker als bei der Verwertung von Biomasse. Gleichzeitig sind die Anforderungen an die Stromproduktion für unsere Verbandsmitglieder laufend gestiegen. In der Biogasproduktion für die Einspeisung ins Gasnetz dagegen gibt es keine kostendeckende Einspeisevergütung, es herrscht weitgehend ein freier Markt. Erst seit kurzem steigt die Bereitschaft der Gasversorger höhere Preise für einheimisches CO2-neutrales Biogas zu bezahlen. Dazu führten wir langwierige Verhandlungen mit der Gasbranche. Jetzt sind die Voraussetzungen besser dank den hohen Gaspreisen für importiertes fossiles Gas. Aus unserer Sicht wäre es sehr förderlich, wenn wir ein System im Gasbereich hätten, das sich an den KEV im Strombereich orientiert.
energate: Ein Festpreis ist also ein Anreiz, obwohl der Produzent dadurch nicht komplett von den derzeit hohen Preisen auf dem Markt profitiert?
Mutzner: Wenn man als landwirtschaftlicher Betrieb einige Millionen in eine Biogasanlage investiert, benötigt man ein gewisses Mass an Investitionssicherheit. Mit der KEV verfügt ein Produzent über eine preisliche Bandbreite, zu der er seine Energie verkaufen kann respektive seine Gestehungskosten gedeckt sind. Steigt der Marktreferenzpreis, reduziert sich die sogenannte Einspeisevergütung. Sinkt der Marktreferenzpreis, erhöht sich die Einspeisevergütung. So werden den Produzenten ihre Gestehungskosten über die Amortisationszeit zugesichert. Via unsere Tochtergesellschaft Fleco Power vermarkten wir im Rahmen der Direktvermarktung den Strom von allen erneuerbaren Energietechnologien gebündelt auf dem freien Markt.
energate: Herr Bourse, auf welche technologischen Entwicklungen sind Sie als neuer Geschäftsführer besonders gespannt?
Bourse: Die Abteilung Marktentwicklung und Forschung von Ökostrom Schweiz prüft laufend neue Technologien und Publikationen darüber. Eines ist aber klar: Am Ende des Tages werden wir nicht mit denselben Anlagen plötzlich die doppelte Biogas- oder Strommenge erzeugen. Die Vergärung und die Energieeffizienz lassen sich noch optimieren, allerdings nicht im vergleichbaren Ausmass, wie sich beispielsweise der Wirkungsgrad von PV-Modulen in den letzten Jahren verbessert hat. Eine genaue Prozentzahl ist hier schwierig zu nennen. Wir stellen den Hofdünger ja auch deshalb so in den Fokus, weil er das naheliegendste Potenzial verspricht. Die Biomasseverwertung hat ausserdem andere Vorteile als die Effizienz: Sie liefert 365 Tage im Jahr Bandenergie, namentlich auch im Winter. Zudem erbringen landwirtschaftliche Biogasanlagen eine beachtliche Klimaschutzleistung: die rund 110 Anlagen, die sich im Betrieb befinden, reduzieren jährlich etwa 80.000 Tonnen an CO2-Äquivalenten.
energate: Könnten landwirtschaftliche Biogasanlagen auch verstärkt eine Rolle in der Sektorkopplung bzw. bei der Umsetzung von Power-to-Gas spielen?
Mutzner: Neue Technologien sind immer auch eine Frage des Preises. Wenn P2G marktfähig wird, dann besteht dadurch ein Riesenpotenzial auch für landwirtschaftliche Betriebe respektive die landwirtschaftliche Biogaserzeugung.
Bourse: Für die Landwirtschaft sind alle einzelnen erneuerbaren Energieträger wichtig: Neben Biogas und Ökostrom auch CO2-neutrale Treibstoffe oder PV- und Windenergie. Umgekehrt kann die Landwirtschaft auch in all diesen Bereichen einen Beitrag zur Energiewende leisten.
energate: Die Abwasserreinigungsanlagen und Kehrichtverwertungsanlagen scheinen da schon einen Schritt weiter. Sie bilden schon heute oder in Zukunft eigentliche Energiehubs. Wird ein Bauernhof künftig zu einem kleineren Abbild?
Mutzner: Das Szenario des Landwirtschaftsbetriebs als Energiehub ist ein sehr schönes, derzeit aber nicht greifbar. Wir sind jetzt erst einmal daran, eine Lösung für die Gaseinspeisung und Inseltankstellen zu erarbeiten. Wenn es um die Einbindung weiterer erneuerbarer Energiequellen geht, stehen derzeit autarke Betriebe im Vordergrund. Dafür gibt es ein erstes Beispiel eines Verbandsmitglieds. Er setzt in seinem Betrieb auf Strom aus einer landwirtschaftlichen Biogasanlage, betreibt zusätzlich eine Schnitzelheizung, die rund 150 Haushalte mit Wärme versorgen kann und neuerdings auch eine Tankstelle mit Biogas. An dieser Biogas-Tankstelle werden die betriebseigenen Biogastraktoren betankt, aber auch Private tanken ihre gasbetriebenen Autos und Lastwagen. Das ist eine Entwicklung, die wir in den letzten Jahren vorangetrieben haben.
energate: Wie schwierig ist es als Fachverband, der sich auf Biogas konzentriert, die Übersicht zu behalten, wenn verschiedene Energiequellen kombiniert werden?
Mutzner: Wir haben die verschiedenen Bereiche in eigene Organisationseinheiten gegliedert. Nachdem wir 2005 mit der politischen Interessenvertretung begannen, haben wir als nächsten Schritt die Biomasse-Koordination aufgebaut und gebündelt. Später arbeiteten wir daran, möglichst rasch auch Regelenergie und Lösungen für die Direktvermarktung sowie für die bevorstehende vollständige Marktliberalisierung anbieten zu können. Zu diesem Zweck gründeten wir das Unternehmen Fleco Power als Tochterunternehmen. Es vereint die unabhängigen Produzenten. Heute vermarkten wir für alle Technologien die Energie: Wind-, PV, Kleinwasserkraftwerke, Biomasseanlagen usw. Es ist wichtig, dass die unabhängigen erneuerbaren Energieproduzenten ihre eigene Vermarktungsorganisation haben. Der grösste Teil der Wertschöpfung soll bei ihnen bleiben.
energate: Wie stark spüren Sie Konkurrenz durch Energieversorger und Unternehmen im Bau von Biogasanlagen?
Mutzner: Das bäuerliche Bodenrecht schreibt vor, dass nur Selbstbewirtschafter in der Landwirtschaftszone bauen dürfen. Ein Energieversorger oder anderes Unternehmen kann sich folglich nicht einfach so an einer Biogasanlage in der Landwirtschaftszone beteiligen.
energate: Wurde die Energieproduktion durch Biomasse in der Vergangenheit unterschätzt?
Bourse: Ja, definitiv. Aber die Politik versteht langsam besser, dass Biomasse ein bisher weitgehend verschenktes Potenzial für die Energieversorgung birgt. Wir sind deshalb optimistisch, dass Landwirtschaftsbetriebe eine zentrale Rolle in der Energiewende einnehmen können.
Die Fragen stellte Yves Ballinari.
energate: Herr Mutzner, Sie haben als Geschäftsleiter den Aufbau von Ökostrom Schweiz zwei Jahrzehnte lang begleitet. Welche Themen haben Sie zum Schluss am meisten beschäftigt?
Mutzner: Unsere politischen Aktivitäten im Zusammenhang mit der Gesetzgebung für bestehende und neue Biogasanlagen standen zuletzt im Vordergrund. Mit dem Erreichten sind wir zufrieden: Unter anderem wurde die "Motion Fässler", die bessere Rahmenbedingungen für den Zubau von Biomasseanlagen schafft, vor knapp einem Jahr im Parlament angenommen (energate berichtete). Wir hatten uns lange dafür eingesetzt, jetzt muss die Bundesverwaltung mit der Umsetzung nachziehen. Ein erster Schritt ist die Revision der Energieförderungsverordnung (EnFV). Unsere wichtigsten Standpunkte sind in die Vorlage eingeflossen. Während der Vernehmlassung geht es nun darum, Detailfragen zu klären. Ein Hauptziel ist, dass Anlagen, die ausschliesslich Hofdünger als Biomasse verwerten, wirtschaftlich arbeiten können.
energate: Weshalb ist das wichtig?
Mutzner: Die energetische Verwertung von Hofdünger, also die Vergärung von Mist und Gülle sowie anderer landwirtschaftlicher Biomasse zu Biogas, birgt ein gewaltiges energetisches und stoffliches Potenzial, das in der Schweiz derzeit einfach brach liegt: Neben dem Biogas entsteht bei der Vergärung wertvoller Naturdünger, der reich an Phosphor und Stickstoff ist und so Handelsdünger ersetzen bzw. dessen Einsatz reduzieren kann. Derzeit verwertet die Landwirtschaft in der Schweiz aber nur rund 4 Prozent des anfallenden Hofdüngers energetisch. Der Grossteil der nicht landwirtschaftlichen organischen Reststoffe landet in Kehrichtverwertungsanlagen oder Abwasserreinigungsanlagen. Damit gehen die darin vorhandenen Nährstoffe für die Nutzung innerhalb des landwirtschaftlichen Kreislaufs verloren. Der Grund dafür ist, dass es keine gesetzliche Grundlage dafür gibt, dass organische Reststoffe energetisch und stofflich verwertet werden müssen.
energate: Auf der Website des Fachverbands heisst es, dass "Ökostrom vom Bauernhof" derzeit etwa 170 Mio. kWh Energie jährlich produziert, also rund 42.500 Haushalte versorgt. Wie hoch ist das zusätzliche Potenzial durch die Verwertung von Hofdünger?
Bourse: In der Landwirtschaft wurde im Bereich der Hofdünger ein nachhaltiges Biogaspotenzial von über 4 TWh wissenschaftlich ermittelt, von dem heute nicht einmal knapp 5 Prozent energetisch genutzt wird.
energate: Wie stehen die Chancen, dass dieses Potenzial in absehbarer Zeit nutzbar wird?
Mutzner: Die politische Akzeptanz gegenüber der Strom- und der Treib- und Brennstoffproduktion aus Biomasse ist allgemein gestiegen wegen der gestiegenen Strompreise und in jüngster Zeit besonders durch den Krieg in der Ukraine und die hohen Gaspreise. Dadurch ist die energetische Verwertung von Biomasse plötzlich ein Thema geworden.
energate: Welchen Einfluss haben die Energiepreise auf die Rolle von Biomasse im Schweizer Energiesystem? Wird sie nun zunehmend verstromt?
Bourse: Bei einem Strompreis von zeitweise 25 Rappen pro kWh wird Elektrizität aus Biomasse interessant. Für die Produzenten selbst ändert sich durch hohe Preise vorerst nicht viel, da im Rahmen der Kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) die Gestehungskosten für 20 Jahre gesichert sind. Für künftige Anlagen können höhere Energiepreise aber selbstverständlich eine wichtige Rolle spielen und für die Branche ganz grundsätzlich interessant sein.
energate: Inwiefern kann Biogas aus landwirtschaftlicher Produktion importiertes Erdgas ersetzen?
Bourse: Wir haben den möglichen Effekt kürzlich berechnet. Wenn wir die wirkliche Bedeutung unserer Branche in der Landwirtschaft voll entfalten können und unter anderem die Gestehungskosten gedeckt würden, könnte Biogas aus landwirtschaftlicher Produktion 10 bis 15 Prozent der Schweizer Gasimporte decken. Der Schlüssel dazu ist der Hofdünger: Er stellt das nötige Potenzial bereit. Die anderen organischen Biomassequellen sind meistens schon benutzt.
energate: Gibt es auch technologische Entwicklungen, die das Potenzial vergrössern können?
Mutzner: Der grösste Zubau der erneuerbaren Energien im Strombereich findet nach wie vor in der Photovoltaik statt. Dort war die technologische Entwicklung denn auch ungleich stärker als bei der Verwertung von Biomasse. Gleichzeitig sind die Anforderungen an die Stromproduktion für unsere Verbandsmitglieder laufend gestiegen. In der Biogasproduktion für die Einspeisung ins Gasnetz dagegen gibt es keine kostendeckende Einspeisevergütung, es herrscht weitgehend ein freier Markt. Erst seit kurzem steigt die Bereitschaft der Gasversorger höhere Preise für einheimisches CO2-neutrales Biogas zu bezahlen. Dazu führten wir langwierige Verhandlungen mit der Gasbranche. Jetzt sind die Voraussetzungen besser dank den hohen Gaspreisen für importiertes fossiles Gas. Aus unserer Sicht wäre es sehr förderlich, wenn wir ein System im Gasbereich hätten, das sich an den KEV im Strombereich orientiert.
energate: Ein Festpreis ist also ein Anreiz, obwohl der Produzent dadurch nicht komplett von den derzeit hohen Preisen auf dem Markt profitiert?
Mutzner: Wenn man als landwirtschaftlicher Betrieb einige Millionen in eine Biogasanlage investiert, benötigt man ein gewisses Mass an Investitionssicherheit. Mit der KEV verfügt ein Produzent über eine preisliche Bandbreite, zu der er seine Energie verkaufen kann respektive seine Gestehungskosten gedeckt sind. Steigt der Marktreferenzpreis, reduziert sich die sogenannte Einspeisevergütung. Sinkt der Marktreferenzpreis, erhöht sich die Einspeisevergütung. So werden den Produzenten ihre Gestehungskosten über die Amortisationszeit zugesichert. Via unsere Tochtergesellschaft Fleco Power vermarkten wir im Rahmen der Direktvermarktung den Strom von allen erneuerbaren Energietechnologien gebündelt auf dem freien Markt.
energate: Herr Bourse, auf welche technologischen Entwicklungen sind Sie als neuer Geschäftsführer besonders gespannt?
Bourse: Die Abteilung Marktentwicklung und Forschung von Ökostrom Schweiz prüft laufend neue Technologien und Publikationen darüber. Eines ist aber klar: Am Ende des Tages werden wir nicht mit denselben Anlagen plötzlich die doppelte Biogas- oder Strommenge erzeugen. Die Vergärung und die Energieeffizienz lassen sich noch optimieren, allerdings nicht im vergleichbaren Ausmass, wie sich beispielsweise der Wirkungsgrad von PV-Modulen in den letzten Jahren verbessert hat. Eine genaue Prozentzahl ist hier schwierig zu nennen. Wir stellen den Hofdünger ja auch deshalb so in den Fokus, weil er das naheliegendste Potenzial verspricht. Die Biomasseverwertung hat ausserdem andere Vorteile als die Effizienz: Sie liefert 365 Tage im Jahr Bandenergie, namentlich auch im Winter. Zudem erbringen landwirtschaftliche Biogasanlagen eine beachtliche Klimaschutzleistung: die rund 110 Anlagen, die sich im Betrieb befinden, reduzieren jährlich etwa 80.000 Tonnen an CO2-Äquivalenten.
energate: Könnten landwirtschaftliche Biogasanlagen auch verstärkt eine Rolle in der Sektorkopplung bzw. bei der Umsetzung von Power-to-Gas spielen?
Mutzner: Neue Technologien sind immer auch eine Frage des Preises. Wenn P2G marktfähig wird, dann besteht dadurch ein Riesenpotenzial auch für landwirtschaftliche Betriebe respektive die landwirtschaftliche Biogaserzeugung.
Bourse: Für die Landwirtschaft sind alle einzelnen erneuerbaren Energieträger wichtig: Neben Biogas und Ökostrom auch CO2-neutrale Treibstoffe oder PV- und Windenergie. Umgekehrt kann die Landwirtschaft auch in all diesen Bereichen einen Beitrag zur Energiewende leisten.
energate: Die Abwasserreinigungsanlagen und Kehrichtverwertungsanlagen scheinen da schon einen Schritt weiter. Sie bilden schon heute oder in Zukunft eigentliche Energiehubs. Wird ein Bauernhof künftig zu einem kleineren Abbild?
Mutzner: Das Szenario des Landwirtschaftsbetriebs als Energiehub ist ein sehr schönes, derzeit aber nicht greifbar. Wir sind jetzt erst einmal daran, eine Lösung für die Gaseinspeisung und Inseltankstellen zu erarbeiten. Wenn es um die Einbindung weiterer erneuerbarer Energiequellen geht, stehen derzeit autarke Betriebe im Vordergrund. Dafür gibt es ein erstes Beispiel eines Verbandsmitglieds. Er setzt in seinem Betrieb auf Strom aus einer landwirtschaftlichen Biogasanlage, betreibt zusätzlich eine Schnitzelheizung, die rund 150 Haushalte mit Wärme versorgen kann und neuerdings auch eine Tankstelle mit Biogas. An dieser Biogas-Tankstelle werden die betriebseigenen Biogastraktoren betankt, aber auch Private tanken ihre gasbetriebenen Autos und Lastwagen. Das ist eine Entwicklung, die wir in den letzten Jahren vorangetrieben haben.
energate: Wie schwierig ist es als Fachverband, der sich auf Biogas konzentriert, die Übersicht zu behalten, wenn verschiedene Energiequellen kombiniert werden?
Mutzner: Wir haben die verschiedenen Bereiche in eigene Organisationseinheiten gegliedert. Nachdem wir 2005 mit der politischen Interessenvertretung begannen, haben wir als nächsten Schritt die Biomasse-Koordination aufgebaut und gebündelt. Später arbeiteten wir daran, möglichst rasch auch Regelenergie und Lösungen für die Direktvermarktung sowie für die bevorstehende vollständige Marktliberalisierung anbieten zu können. Zu diesem Zweck gründeten wir das Unternehmen Fleco Power als Tochterunternehmen. Es vereint die unabhängigen Produzenten. Heute vermarkten wir für alle Technologien die Energie: Wind-, PV, Kleinwasserkraftwerke, Biomasseanlagen usw. Es ist wichtig, dass die unabhängigen erneuerbaren Energieproduzenten ihre eigene Vermarktungsorganisation haben. Der grösste Teil der Wertschöpfung soll bei ihnen bleiben.
energate: Wie stark spüren Sie Konkurrenz durch Energieversorger und Unternehmen im Bau von Biogasanlagen?
Mutzner: Das bäuerliche Bodenrecht schreibt vor, dass nur Selbstbewirtschafter in der Landwirtschaftszone bauen dürfen. Ein Energieversorger oder anderes Unternehmen kann sich folglich nicht einfach so an einer Biogasanlage in der Landwirtschaftszone beteiligen.
energate: Wurde die Energieproduktion durch Biomasse in der Vergangenheit unterschätzt?
Bourse: Ja, definitiv. Aber die Politik versteht langsam besser, dass Biomasse ein bisher weitgehend verschenktes Potenzial für die Energieversorgung birgt. Wir sind deshalb optimistisch, dass Landwirtschaftsbetriebe eine zentrale Rolle in der Energiewende einnehmen können.
Die Fragen stellte Yves Ballinari.
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