energate-Interview
"Strukturwandel lässt sich nicht mit einem Big Bang lösen"

Ingolf Graul (l.) und Udo Mager bekleiden gemeinsam die Geschäftsführung des Vereins der kommunalen RWE-Aktionäre. (Foto: VKA RWE)
Essen (energate) - Der Verband der kommunalen Aktionäre des RWE-Konzerns (VKA) blickt mit Spannung auf die anstehende Hauptversammlung des Essener Energiekonzerns. Im Interview mit energate sprachen die Geschäftsführer Udo Mager und Ingolf Graul über ihre Erwartungen, die Bedeutung der RWE-Beteiligung für die Kommunen an Rhein und Ruhr und die Anträge des aktivistischen Investors Enkraft.
energate: Herr Graul, Herr Mager, mit was für einen Grundgefühl gehen Sie in die anstehende Hauptversammlung von RWE? Rechnen sie mit viel Applaus für das RWE-Management oder wird es überwiegend kritische Worte geben?
Mager: Jenseits des Wirbels, den ein einzelner Investor im Vorfeld der Hauptversammlung öffentlichkeitswirksam verursacht hat, erwarten wir keine Eskalationen. Die Kommunen sind nach unserer Wahrnehmung mit dem Weg, den RWE eingeschlagen hat, auch nach der Aufteilung der Geschäftsfelder zwischen RWE und Eon sehr zufrieden. Der Vorstand und der Aufsichtsrat geniessen unser volles Vertrauen, was in der Vergangenheit nicht immer der Fall war. Die positive Entwicklung von RWE schlägt sich auch im Aktienkurs und in der Dividende nieder. Auch das liegt im Interesse der Kommunen, auch wenn sie nicht als reine Finanzinvestoren zu verstehen sind.
Graul: Aus Sicht der Kommunen stehen Frage der Daseinsvorsorge sowie der sicheren und bezahlbaren Stromversorgung im Vordergrund. Wichtig ist für unsere Mitglieder zudem der Beitrag, den RWE mit dem Wandel weg von fossilen hin zu regenerativen Energien zum Strukturwandel leistet. Da ist RWE auf einem sehr guten Weg. Das spiegelt sich auch in den Zahlen des Jahresergebnisses.
Mager: Und beim Thema Kohleausstieg muss niemand RWE zum Jagen tragen. Das Tempo, das RWE an den Tag legt, und die Intensität des gesamten Prozesses sprechen für sich. Es vergeht ja kaum ein Monat, in dem RWE nicht neue Windkraftanlagen in Betrieb nimmt.
energate: Der Investor Enkraft verfolgt die Idee, dass RWE die Kohleaktivitäten abspalten sollte. Das soll die Bewertung des Unternehmens erhöhen, denn die Kohle wirkt sich negativ auf den Unternehmenswert aus, so die Argumentation. Ist das eine Idee, die sie mittragen?
Mager: Man muss schauen, was der Preis dieser vermeintlichen Wertsteigerung ist. Ein solcher Schritt bleibt nicht folgenlos für die Kommunen, in denen die Kohle heute noch eine entscheidende Rolle für die lokale Wertschöpfung spielt.
Graul: Man sollte auch anerkennen, dass RWE sich schon heute intensiv mit den Folgen des Rückbaus der Kohleförderung und dem Strukturwandel in den Tagebauregionen beschäftigt. Es bedarf daher aus unserer Sicht keine zusätzlichen Massnahmen, sich dieses Themas anzunehmen. RWE sieht sich in der Verpflichtung, den gesamten Prozess des Strukturwandels zu gestalten, und das begrüssen wir sehr.
energate: Das heisst, die Kommunen werden dem Antrag nicht zustimmen?
Mager: Wir gehen davon aus, dass unsere Gesellschafter die Position des Unternehmens kennen und bei der individuellen Ausübung des Stimmrechts berücksichtigen werden. Der Strukturwandel ist eine Aufgabe, die nicht mit einem Big Bang gelöst werden kann, sondern bedarf flankierender Massnahmen, die abfedernde Wirkung haben. Dazu gehört etwa, den Verlust von Arbeitsplätzen durch den Aufbau neuer Arbeitsplätze zu kompensieren. Wir sind der Überzeugung, dass vieles davon unter dem Dach des RWE-Konzerns besser erledigt werden kann, als wenn wir die Braunkohle auslagern würden. Insoweit spricht alles dafür, den eingeschlagenen Weg weiter zu beschreiten.
energate: Nun gibt es einen weiteren Antrag zur Hauptversammlung, in dem Enkraft einen Gegenkandidaten für das Aufsichtsratsmitglied Thomas Kufen vorschlägt. Kufen ist bekanntlich Oberbürgermeister von Essen und einer der letzten Kandidaten aus dem kommunalen Lager in dem Aufsichtsgremium. Wie stehen Sie zu diesem Antrag?
Mager: Herr Kufen steht für die Kommunen und ist über jeden Zweifel erhaben, was seine persönliche Integrität und Kompetenz für diese Aufgabe angeht. Die Tagesordnung zur Hauptversammlung sieht vor, dass Herr Kufen zur Wahl steht. Darüber wird von den Aktionären abzustimmen sein. Ich gehe davon aus, dass der Gegenantrag im Kreise der kommunalen Aktionäre wenig Anklang finden wird.
energate: Was ist grundsätzlich das Verständnis der kommunalen Aktionäre im Kreise der RWE-Gesellschafter? Welchen Einfluss wollen Sie geltend machen?
Graul: Für die Kommunen geht es um die Mitgestaltung der Energiewende und des Strukturwandels, aber auch um Versorgungssicherheit für Industrie und Gewerbe, die regionale Wertschöpfung und am Ende des Tages auch um die Sicherung von Arbeitsplätzen. All das kann über das Engagement als RWE-Aktionär mitgestaltet werden.
Mager: Unsere Gesellschafter verstehen sich nicht als aktivistische, aber auch nicht als stille Aktionäre. Die Kommunen haben eine Meinung zu den Themen, die RWE bewegen. Im Austausch untereinander ist dann zu beurteilen, ob es ein einheitliches Meinungsbild gibt oder auch nicht. Dieses Meinungsbild findet sich dann im individuellen Abstimmungsverhalten wieder. In der Vergangenheit gab es auch immer wieder Situationen, bei denen die Haltung der kommunalen Aktionäre wichtig für strategische Entscheidungen des Unternehmens waren, etwa bei der Transaktion zwischen Eon und RWE.
energate: Bei der Transaktion mussten die Kommunen allerdings hinnehmen, dass der Betrieb von Strom- und Gasnetzen nicht mehr Bestandteil des RWE-Geschäfts ist. Das ist naturgemäss für Kommunen ein wichtiges Feld. Haben die Kommunen den Zugriff auf die Netze eingebüsst?
Graul: Den Zugriff auf die Netze haben die Kommunen weiterhin über die Vergabe von Konzessionsrechten und die Gestaltung von Konzessionsverträgen. Insofern sehe ich da keine Schwächung der kommunalen Situation.
Mager: Im Übrigen sind Herr Graul und ich auch Mitglieder in den Beiräten von Westenergie für die Regionen und vertreten dort die Kommunen. Die Möglichkeiten, sich einzubringen sind nach wie vor vorhanden. Abseits davon sollte die Bedeutung der RWE-Aktivitäten im Bereich der erneuerbaren Energien für die Kommunen nicht unterschätzt werden. Denn der Ausbau der Erneuerbaren wird ohne die Kommunen nicht gelingen. Hier entwickeln sich neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit und auch der strategischen Bedeutung von RWE für die Kommunen.
energate: RWE ist ein global agierendes Unternehmen, hat aber zuletzt auffällig sein Engagement in der Region NRW betont. Ist das ein Erfolg, den sich die Kommunen auf ihre Fahnen schreiben können?
Mager: Herr Graul und ich sind beide noch nicht sehr lange an Bord als Geschäftsführer des VKA. Vor dem Hintergrund ist uns persönlich das sicherlich nicht zuzuschreiben. Aber - Scherz beiseite - klar ist: Wenn von den 15 Mrd. Euro, die RWE in den kommenden Jahren in Deutschland investieren möchte, ein erklecklicher Anteil von 4 Mrd. Euro nach NRW fliesst, dann ist das eine gute Nachricht für die Region und für unsere Gesellschafter. Und das ist natürlich kein Zufall, sondern hat auch mit der langen gemeinsamen Historie und der engen Verbindung zwischen RWE und der Region zu tun. RWE steht als Unternehmen zu seinen Wurzeln, auch wenn das in der Vergangenheit unter anderen Vorständen vielleicht nicht immer so erkennbar gewesen ist.
Die Fragen stellte Rouben Bathke.
energate: Herr Graul, Herr Mager, mit was für einen Grundgefühl gehen Sie in die anstehende Hauptversammlung von RWE? Rechnen sie mit viel Applaus für das RWE-Management oder wird es überwiegend kritische Worte geben?
Mager: Jenseits des Wirbels, den ein einzelner Investor im Vorfeld der Hauptversammlung öffentlichkeitswirksam verursacht hat, erwarten wir keine Eskalationen. Die Kommunen sind nach unserer Wahrnehmung mit dem Weg, den RWE eingeschlagen hat, auch nach der Aufteilung der Geschäftsfelder zwischen RWE und Eon sehr zufrieden. Der Vorstand und der Aufsichtsrat geniessen unser volles Vertrauen, was in der Vergangenheit nicht immer der Fall war. Die positive Entwicklung von RWE schlägt sich auch im Aktienkurs und in der Dividende nieder. Auch das liegt im Interesse der Kommunen, auch wenn sie nicht als reine Finanzinvestoren zu verstehen sind.
Graul: Aus Sicht der Kommunen stehen Frage der Daseinsvorsorge sowie der sicheren und bezahlbaren Stromversorgung im Vordergrund. Wichtig ist für unsere Mitglieder zudem der Beitrag, den RWE mit dem Wandel weg von fossilen hin zu regenerativen Energien zum Strukturwandel leistet. Da ist RWE auf einem sehr guten Weg. Das spiegelt sich auch in den Zahlen des Jahresergebnisses.
Mager: Und beim Thema Kohleausstieg muss niemand RWE zum Jagen tragen. Das Tempo, das RWE an den Tag legt, und die Intensität des gesamten Prozesses sprechen für sich. Es vergeht ja kaum ein Monat, in dem RWE nicht neue Windkraftanlagen in Betrieb nimmt.
energate: Der Investor Enkraft verfolgt die Idee, dass RWE die Kohleaktivitäten abspalten sollte. Das soll die Bewertung des Unternehmens erhöhen, denn die Kohle wirkt sich negativ auf den Unternehmenswert aus, so die Argumentation. Ist das eine Idee, die sie mittragen?
Mager: Man muss schauen, was der Preis dieser vermeintlichen Wertsteigerung ist. Ein solcher Schritt bleibt nicht folgenlos für die Kommunen, in denen die Kohle heute noch eine entscheidende Rolle für die lokale Wertschöpfung spielt.
Graul: Man sollte auch anerkennen, dass RWE sich schon heute intensiv mit den Folgen des Rückbaus der Kohleförderung und dem Strukturwandel in den Tagebauregionen beschäftigt. Es bedarf daher aus unserer Sicht keine zusätzlichen Massnahmen, sich dieses Themas anzunehmen. RWE sieht sich in der Verpflichtung, den gesamten Prozess des Strukturwandels zu gestalten, und das begrüssen wir sehr.
energate: Das heisst, die Kommunen werden dem Antrag nicht zustimmen?
Mager: Wir gehen davon aus, dass unsere Gesellschafter die Position des Unternehmens kennen und bei der individuellen Ausübung des Stimmrechts berücksichtigen werden. Der Strukturwandel ist eine Aufgabe, die nicht mit einem Big Bang gelöst werden kann, sondern bedarf flankierender Massnahmen, die abfedernde Wirkung haben. Dazu gehört etwa, den Verlust von Arbeitsplätzen durch den Aufbau neuer Arbeitsplätze zu kompensieren. Wir sind der Überzeugung, dass vieles davon unter dem Dach des RWE-Konzerns besser erledigt werden kann, als wenn wir die Braunkohle auslagern würden. Insoweit spricht alles dafür, den eingeschlagenen Weg weiter zu beschreiten.
energate: Nun gibt es einen weiteren Antrag zur Hauptversammlung, in dem Enkraft einen Gegenkandidaten für das Aufsichtsratsmitglied Thomas Kufen vorschlägt. Kufen ist bekanntlich Oberbürgermeister von Essen und einer der letzten Kandidaten aus dem kommunalen Lager in dem Aufsichtsgremium. Wie stehen Sie zu diesem Antrag?
Mager: Herr Kufen steht für die Kommunen und ist über jeden Zweifel erhaben, was seine persönliche Integrität und Kompetenz für diese Aufgabe angeht. Die Tagesordnung zur Hauptversammlung sieht vor, dass Herr Kufen zur Wahl steht. Darüber wird von den Aktionären abzustimmen sein. Ich gehe davon aus, dass der Gegenantrag im Kreise der kommunalen Aktionäre wenig Anklang finden wird.
energate: Was ist grundsätzlich das Verständnis der kommunalen Aktionäre im Kreise der RWE-Gesellschafter? Welchen Einfluss wollen Sie geltend machen?
Graul: Für die Kommunen geht es um die Mitgestaltung der Energiewende und des Strukturwandels, aber auch um Versorgungssicherheit für Industrie und Gewerbe, die regionale Wertschöpfung und am Ende des Tages auch um die Sicherung von Arbeitsplätzen. All das kann über das Engagement als RWE-Aktionär mitgestaltet werden.
Mager: Unsere Gesellschafter verstehen sich nicht als aktivistische, aber auch nicht als stille Aktionäre. Die Kommunen haben eine Meinung zu den Themen, die RWE bewegen. Im Austausch untereinander ist dann zu beurteilen, ob es ein einheitliches Meinungsbild gibt oder auch nicht. Dieses Meinungsbild findet sich dann im individuellen Abstimmungsverhalten wieder. In der Vergangenheit gab es auch immer wieder Situationen, bei denen die Haltung der kommunalen Aktionäre wichtig für strategische Entscheidungen des Unternehmens waren, etwa bei der Transaktion zwischen Eon und RWE.
energate: Bei der Transaktion mussten die Kommunen allerdings hinnehmen, dass der Betrieb von Strom- und Gasnetzen nicht mehr Bestandteil des RWE-Geschäfts ist. Das ist naturgemäss für Kommunen ein wichtiges Feld. Haben die Kommunen den Zugriff auf die Netze eingebüsst?
Graul: Den Zugriff auf die Netze haben die Kommunen weiterhin über die Vergabe von Konzessionsrechten und die Gestaltung von Konzessionsverträgen. Insofern sehe ich da keine Schwächung der kommunalen Situation.
Mager: Im Übrigen sind Herr Graul und ich auch Mitglieder in den Beiräten von Westenergie für die Regionen und vertreten dort die Kommunen. Die Möglichkeiten, sich einzubringen sind nach wie vor vorhanden. Abseits davon sollte die Bedeutung der RWE-Aktivitäten im Bereich der erneuerbaren Energien für die Kommunen nicht unterschätzt werden. Denn der Ausbau der Erneuerbaren wird ohne die Kommunen nicht gelingen. Hier entwickeln sich neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit und auch der strategischen Bedeutung von RWE für die Kommunen.
energate: RWE ist ein global agierendes Unternehmen, hat aber zuletzt auffällig sein Engagement in der Region NRW betont. Ist das ein Erfolg, den sich die Kommunen auf ihre Fahnen schreiben können?
Mager: Herr Graul und ich sind beide noch nicht sehr lange an Bord als Geschäftsführer des VKA. Vor dem Hintergrund ist uns persönlich das sicherlich nicht zuzuschreiben. Aber - Scherz beiseite - klar ist: Wenn von den 15 Mrd. Euro, die RWE in den kommenden Jahren in Deutschland investieren möchte, ein erklecklicher Anteil von 4 Mrd. Euro nach NRW fliesst, dann ist das eine gute Nachricht für die Region und für unsere Gesellschafter. Und das ist natürlich kein Zufall, sondern hat auch mit der langen gemeinsamen Historie und der engen Verbindung zwischen RWE und der Region zu tun. RWE steht als Unternehmen zu seinen Wurzeln, auch wenn das in der Vergangenheit unter anderen Vorständen vielleicht nicht immer so erkennbar gewesen ist.
Die Fragen stellte Rouben Bathke.
Möchten Sie weitere Meldungen lesen?
Testabonnement
energate messenger Schweiz
- 30 Tage kostenlos
- Täglicher HTML-Newsletter + PDF-Version
- Voller Zugriff auf App und Website
- Endet automatisch
CHF 0,00
Jetzt testen
Sie haben bereits einen Zugang? Hier einloggen