Bern (energate) - Verschiedene Vereine und Verbände sehen beim indirekten Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative noch Verbesserungsbedarf. So bezeichnen Klimaschutz Schweiz und die Schweizerische Energie-Stiftung (SES) die Vorlage als Minimallösung. Der indirekte Gegenvorschlag, wie ihn der Nationalrat am 15. Juni mit grosser Mehrheit annahm (
energate berichtete), enthalte das Netto-Null-Ziel, einen verbindlichen Absenkpfad für Emissionen und konkrete Massnahmen zur Erreichung der Pariser Klimaziele, schreibt Klimaschutz Schweiz, der Trägerverein der Gletscher-Initiative. Der vorliegende Vorschlag sei ein Minimum, um die Ziele der Gletscher-Initiative zu erreichen. Gleichzeitig habe der Nationalrat zum Bedauern der Initianten wichtige Minderheitsanträge abgelehnt.
SES will Dekarbonisierung der Energieversorgung bis 2035
Auch die Schweizer Energie-Stiftung (SES) ist nicht vollends zufrieden: Zwar könnten die Klimaschutzziele und -massnahmen jetzt auf Gesetzesstufe und daher rascher eingeführt werden, schreibt die SES in einer Mitteilung. Sie fordert für die einzelnen Sektoren jedoch ambitioniertere Zwischenziele. "Wir sind der Auffassung, dass die Schweiz die inländische Energieversorgung bis 2035 dekarbonisiert haben sollte, damit wir innerhalb unseres noch verfügbaren CO2-Budgets bleiben und unserer globalen Verantwortung nachkommen", schreibt Geschäftsleiter Nils Epprecht gegenüber energate. "Dies vor dem Hintergrund, dass Sektoren wie die Industrie (Zement), die Flugbranche oder die Landwirtschaft länger brauchen werden, um Netto-Null vor 2040 zu erreichen, da dort im Unterschied zur Energieversorgung die Lösungen noch nicht wirtschaftlich oder noch gar nicht verfügbar sind."
Die Zwischenziele beim indirekten Gegenvorschlag seien zu spät angesetzt und insbesondere im Bereich Verkehr und Gebäude zu niedrig. "In Sektoren wie der Mobilität oder dem Flugverkehr fehlen Massnahmen gänzlich und müssen - wenn nicht im indirekten Gegenvorschlag, dann andernorts - bald folgen", so Epprecht. Ausdrücklich lobt der SES-Geschäftsleiter diesbezüglich das Sonderprogramm zum Heizungsersatz. Dieses sei nicht nur klimapolitisch sinnvoll, sondern helfe auch, die Abhängigkeit von den fossilen Energien zu verringern. Mit dem Programm soll der Bund den Ersatz von fossilen und elektrischen Heizungsanlagen während zehn Jahren mit bis zu 200 Mio. Franken pro Jahr direkt fördern.
Initiativekomitee zeigt sich zuversichtlich
Der Wirtschaftsdachverband AEE Suisse hebt ebenfalls das Sonderprogramm hervor. Dieses unterstütze er zwar, so der Verband. Allerdings sollten die zusätzlichen Fördermittel nicht ausschliesslich für den Heizungsersatz verwendet werden, heisst es in einer Stellungnahme. "Das vorgesehene Sonderprogramm bietet die Chance, das erfolgreiche Gebäudeprogramm auszubauen", so Stefan Batzli, Geschäftsführer von AEE Suisse. Neben dem Heizungsersatz und energetischen Sanierungen, könnten so auch Anreize für Effizienzmassnahmen in der Gebäudetechnik sowie für den Ersatz von alten Fenstern durch energieeffiziente Fenster geschaffen werden.
Gemäss Batzli ist der vorliegende indirekte Gegenvorschlag ein wichtiger erster Schritt. "Vor dem Hintergrund der aktuellen Herausforderungen, braucht es von Politik und Gesellschaft jedoch weitere Anstrengungen." In Kombination mit dem CO2-Gesetz müsse der indirekte Gegenvorschlag sicherstellen, dass die für die Schweiz verbindlichen Ziele des Pariser Klimaabkommens erreicht werden.
Initiativkomitee ist zuversichtlich
Als Nächstes wird am 23. Juni die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Ständerates (Urek-S) die Vorlage behandeln. "Das Initiativkomitee ist zuversichtlich, erwartet aber vom Ständerat ein rasches Vorgehen, punktuelle Verbesserungen und keinerlei Abschwächungen des Gesetzestextes", blickt Klimaschutz Schweiz voraus. Um das 1,5-Grad-Limit möglichst einhalten zu können, müssten die Anstrengungen vervielfacht werden und es brauche strukturelle statt nur schrittweiser Veränderungen.
"Im indirekten Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative werden auch Unternehmen in die Pflicht genommen. Sie profitieren, wenn sie Netto-Null-Fahrpläne erarbeiten", wird Mit-Initiant und Ständerat Ruedi Noser (FDP/ZH) zitiert. Dieser Ansatz sei wegweisend, um die nötige Transformation auch in der Wirtschaft anzustossen. /yb/ms