Berlin (energate) - Energiewirtschaftsverbände halten einen Start der Strom- und Gaspreisbremsen vor März 2023 weiterhin für nicht möglich. Neben dem hohen technischen Aufwand sehen sie noch viele inhaltliche Fragen ungeklärt. "Ein Start der Strompreisbremse zum 1. Januar ist extrem sportlich", sagte etwa Robert Busch, Geschäftsführer des Bundesverbandes Neue Energiewirtschaft (BNE), zu energate. Er verwies auf den Programmieraufwand bei der Umstellung der Tarife. "Hinzu kommen Meldepflichten gegenüber Kunden, die zu weiterem massiven Aufwand führen", so Busch. Die Unternehmen könnten zudem erst mit der Arbeit beginnen, wenn alle Details gesetzlich geregelt seien. Stand jetzt soll der Bundesrat erst am 16. Dezember über die Strom- und Gaspreisbremse abstimmen, also nur zwei Wochen bevor die Strompreisbremse bereits in Kraft treten soll (
energate berichtete).
Deutlicher in der Ablehnung einer Strompreisbremse zu Jahresbeginn sind die Energieverbände VKU und BDEW. "Dies ist schlicht nicht umsetzbar", erklärte Kerstin Andreae, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des BDEW. Gleiches gilt aus ihrer Sicht für den Wunsch der Bundesregierung und der Bundesländer, den Start der Gaspreisbremse auf den 1. Februar vorzuziehen. Auch VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing hält einen Start der Preisbremsen vor März für nicht möglich. Über diesen Punkt hatte in der Gaskommission Einigkeit geherrscht, mit Verweis auf die komplexe Umstellung der IT-Prozesse. Die Bundesregierung hatte sich mit ihren jüngsten Beschlüssen aber darüber hinweggesetzt.
Scholz will mit Energiewirtschaft reden
Noch zeichnet sich in der Ampel-Koalition kein Umdenken ab. In einem Schreiben von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) an die SPD-Bundestagsfraktion vom 3. November heisst es, "mit den Stadtwerken und Versorgern ist die Bundesregierung in intensiven Gesprächen, um eine rückwirkende Entlastung bereits vor dem 1. März 2023 zu erreichen". Das Bundeswirtschaftsministerium teilte auf Anfrage der Redaktion mit, dass aktuell mit Hochdruck an der Umsetzung der Gas- und Strompreisbremse gearbeitet werde. Dazu tagen Bundeskanzleramt, Bundesfinanzministerium und das Wirtschaftsressort in einer Arbeitsgruppe. "Nähere Details kann ich während der laufenden Arbeiten nicht nennen oder kommentieren", erklärte eine Sprecherin.
Der BNE äussert dabei auch grundsätzliche Bedenken an dem Vorhaben. "Ein staatlich verordneter Höchstpreis ist das Gegenteil von Wettbewerb", sagte Geschäftsführer Busch. Ein schneller Start dürfe nicht zu gravierenden handwerklichen Fehlern führen und den Wettbewerb dauerhaft schädigen. Der VKU betont, wenn die Bundesregierung weitere Entlastungen zum Jahresbeginn anstrebe, sollten diese möglichst einfach sein. Beim Gas könnte etwa die geplante Übernahme der Abschläge für Dezember durch den Staat einfach wiederholt werden - ohne neue Berechnungen. BDEW-Chefin Andreae bringt ein Energiegeld ins Spiel. Sie betont zudem, dass Verbraucherinnen und Verbraucher durch die Übernahme des Gasabschlages in den Wintermonaten Dezember, Januar und Februar zusammengenommen in etwas so stark entlastet würden, wie es mit der Gaspreisbremse dann ab März monatlich vorgesehen sei.
Gas: Offene Fragen bei Abschlagsübernahme
Nicht sicher ist allerdings, dass die finanzielle Entlastung beim Gas im Dezember tatsächlich klappt. Denn noch hat die Bundesregierung hier aus Sicht der Verbände ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Der VKU betont, dass die Versorger dafür noch vor dem ersten Dezember die Entschädigungszahlungen erhalten müssen. "Stadtwerke und Versorger können die Beträge, nach Schätzung des Bundes insgesamt rund 9 Milliarden Euro, nicht vorfinanzieren", so VKU-Chef Liebing. Auch der Branchenverband für Fernwärme AGFW warnt vor Liquiditätsproblemen: "Erst nachdem die Unternehmen die entsprechenden finanziellen Mittel vom Staat bekommen haben, können sie die Wärmekunden entlasten. Andernfalls fehlt das Geld bei den Wärmeversorgern", betont AGFW-Geschäftsführer Werner Lutsch. Der BDEW äusserte ebenfalls Bedenken. Drei Wochen vor dem geplanten Start fehle es an den Voraussetzungen, damit die Unternehmen ihre Erstattungsansprüche geltend machten könnten. Die Regelungen für die Übernahme des Gasabschlages im Dezember waren am 7. November Thema im Bundestag. /kw