Bern (energate) - Bundesrat Albert Rösti zeigte sich bei seinem ersten Auftritt vor der Energiebranche am Stromkongress entschlossen, den Erneuerbarenausbau voranzutreiben. Die Vorsitzenden der Energiekonzerne Alpiq, Axpo und BKW nährten die Aufbruchstimmung anschliessend zusätzlich. Röstis Worte (
energate berichtete) während der Grussbotschaft stiessen in der Diskussionsrunde der Verwaltungsratspräsidenten der grössten drei Energiekonzerne auf Zustimmung. Axpo-Verwaltungsratspräsident Thomas Sieber sagte, der Bundesrat und Uvek-Vorsteher habe die Herausforderungen der Energieversorger klar angesprochen. Neben dem Hinweis auf schnellere Bewilligungsverfahren habe Rösti auch das Wort "gemeinsam" verwendet. Sieber betonte, dass ein einzelner Bundesrat die erwähnten Aufgaben nicht allein lösen könne. "Man muss zusammenarbeiten über die Politik hinweg", sagte er.
Zupacken als Kernbotschaft
BKW-VRP Roger Baillod sprach von einer Steilkurve, die der Energieminister mit seinem Auftritt nach 18 Tagen im Amt hingelegt habe. Rösti habe die wichtigen Punkte erwähnt und sei dabei konkret gewesen. Hinzuzufügen hatte Baillod den Hinweis auf den nötigen Netzausbau, der immer etwas vergessen gehe, aber riesige Summen erfordere. "Das dürfen wir nicht aus den Augen verlieren", so Baillod. Der BKW-Präsident wies ausserdem auf die Akzeptanz in der Bevölkerung für den Erneuerbarenausbau hin. "Wir haben sehr viele Partikularinteressen und irgendwo müssen sich alle finden", sagte er. Vom Bundesrat erwarte das Unternehmen auf diesem Weg kommunikative Unterstützung.
Als "mutig und zupackend" beurteilte Alpiq-VRP Johannes Teyssen die Ansprache Röstis. "Mutig, weil Gegner sagen werden, dass er sich schon früh festlegt. Aber mitten in der schwersten Energiekrise seit 50 Jahren darf man keine Zeit verlieren." Als zupackend wertete Teyssen Röstis Aussage zum Ausbau. Darin sah der Alpiq-Präsident die Kernbotschaft des Bundesrats: "Zu viele Menschen denken, sie könnten zurück in die Hängematte, nachdem sich die Lage wieder entspannt hat."
Sieber spricht von mangelnden Perspektiven
Die Präsidentenrunde zeigte sich also einig mit dem Bundesrat und signalisierte Bereitschaft, den Erneuerbarenausbau anzugehen. Ein Fragezeichen setzten die drei Podiumsteilnehmer hinter die Akzeptanz in der Bevölkerung. Alpiq-VRP Teyssen glaubt nach eigenen Worten, dass die Bevölkerung und die Wirtschaft verstanden haben, worum es geht. Als Indiz nannte er die Gaspreise und deren Folgen für die Industrie. "Wir sind tief, tief im Mist", so Teyssen. "Und das haben wir alle miteinander fast eine Generation lang verbockt. Wir sitzen auf den Assets, die unsere Väter gebaut haben."
Nach den Fehlern der Energieversorger gefragt, stimmte Sieber in die Selbstkritik ein. "Ich denke, dass alle Stakeholder in ganz Europa viel verpasst und keine Perspektiven geschaffen haben", sagte er. Man habe immer wieder die Rahmenbedingungen angeprangert, statt gemeinsam forsch nach vorne zu gehen.
Winterreserve ist für Alpiq gesellschaftlicher Beitrag
Den Einwand, die Lage sei für die Energiebranche vor der Krise einfach zu bequem gewesen, liess BKW-VRP Baillod nicht gelten. Das Unternehmen habe 2013 in einer Tiefpreisphase entschieden, das Kernkraftwerk Mühleberg abzuschalten, weil die Gestehungskosten hinter den Preisen zurücklagen. "Wir waren damals mit Risikomanagement beschäftigt, aber im Vergleich mit heute auf der anderen Seite", so Baillod. Es sei darum gegangen, das Unternehmen über diese Tiefpreisphase hinweg zu bringen. Mit der Energiekrise haben sich die Umstände nun völlig verändert. Teyssen sprach von einer "gesteigerten Mitverantwortung" der Unternehmen für die Versorgungssicherheit. Dieses Verständnis hat ihm zufolge dazu geführt, dass sich Alpiq für die Winterreserve des Bundes engagiert. "Wir sagten uns, wir wollen ein wenig zurückleisten an die Gesellschaft." Aus rein kommerzieller Sicht wäre das Bereitstellen der Energie zu diesem Zweck nicht sinnvoll gewesen.
Sieber sprach von einer geteilten Verantwortung für die Versorgungssicherheit und dass die Frage der Rolle bei Axpo täglich zu Diskussionen führe. "Schlussendlich ist es unsere Aufgabe, einen Beitrag zu leisten", fügte er hinzu und erwähnte die Stromproduktion von Axpo in der Schweiz. Das Unternehmen habe dadurch in der Vergangenheit bereits seinen Beitrag geleistet und werde das auch in Zukunft tun. Im Übrigen werde er auch von den Axpo-Aktionären "sehr akribisch" danach gefragt.
Baillod: Branche soll als Ganzes marschieren
Fragen muss Sieber auch im Zusammenhang mit der Kreditlinie des Bundes beantworten (
energate berichtete). Dass das Unternehmen sich im Handel zu sehr exponierte und damit zur Lage beitrug, wies Sieber zurück. Der Aufruf dieser Kreditlinie sei hervorgerufen worden durch die Absicherung der Schweizer Stromproduktion, die Axpo über drei Jahre hinweg tätigt. Bei Preisen, die ein Mehrfaches über dem langjährigen Durchschnitt liegen, habe das riesige Summen erfordert. "Wir haben eine historisch einmalige Verwerfung erlebt. Man hätte niemals genügend Liquidität vorhalten können für eine solche Situation." Die Absicherungspraxis der Axpo habe das Unternehmen zudem in der Tiefpreisphase gerettet. "Da wurde ich teilweise von denselben Leuten gefragt: Warum habt ihr nicht über fünf Jahre abgesichert?"
Alpiq seinerseits nahm keine Kreditlinie des Bundes in Anspruch. Teyssen sprach bei der Begründung auch von glücklichen Umständen. Die Geschäftsführung habe in kurzer Zeit Risiken in Milliardenhöhe reduziert, weshalb Alpiq "genügend Wasser unter dem Kiel" vorgefunden habe. Dass die Politik den Rettungsschirm für die Strombranche gespannt habe, sei aber richtig gewesen. Baillod kam bei seinem letzten Votum noch einmal auf die Zukunft zurück. Bundesrat Rösti habe mit seinen Worten den Anfang gemacht, die Ziele seien klar gesetzt. "Wir müssen die Erneuerbaren und die Netze ausbauen." Für die Energieversorger wünsche er sich, am gleichen Strang zu ziehen. "Das wäre mein Aufruf an die Branche: keine Eigeninteressen zu verfolgen, sondern als Ganzes zu marschieren." /yb