Disentis (energate) - Obwohl sie besonders viel Winterstrom liefern und die Projekte wie Pilze aus dem Boden schiessen, ist es mehr als fraglich, dass die Schweiz das vom Parlament beschlossene Zubauziel von 2 TWh Strom aus alpinen Solaranlagen erreicht. Dies zeigten verschiedene Referenten anhand konkreter Beispiele an den Energieforschungsgesprächen 2023 in Disentis auf. An einer Podiumsdiskussion im Anschluss an die Präsentation der Projekte
bestätigte
Patrick Zehner, Mitglied der Taskforce "Grosse Photovoltaikanlagen" des Kanton Wallis, den Eindruck, dass die alpinen Solaranlagen trotz den für sie beschlossenen, erleichterten Bewilligungsverfahren noch lange nicht gebaut sind. Auf die Frage, ob es der Schweiz gelingt, 2 TWh Solarstrom nach
Artikel 71a Energiegesetz (EnG) zuzubauen, antwortete er: "Dafür brauchen wir nicht nur einen unverletzten Marco Odermatt. Wir brauchen viele Marco Odermatts."
Zehner meinte damit in Anspielung auf den derzeit wohl besten Skifahrer der Welt, dass sich sowohl die Projektanten der Anlagen als auch die Akteure der Verwaltung zur Erreichung des 2-TWh-Ziels beeilen müssten. Er ergänzte, dass neben der ohnehin gebotenen Eile die Frage, ob Einsprachen die Projekte noch zusätzlich verzögern werden, entscheidend sei. "Falls es Einsprachen gibt, dann wird es sehr schwierig, bis Ende 2025 einen Teil der Energie einzuspeisen", pflichtete der Bündner Regierungsrat Marcus Caduff bei. Caduff erinnerte damit an die Bestimmung, dass die alpinen Solaranlagen gemäss Gesetz bis Ende 2025 teilweise Elektrizität ins Netz einzuspeisen zu haben.
Gondosolar mit fast fertigem Umweltverträglichkeitsbericht
Das beste Beispiel dafür, dass diese Zeitvorgabe ambitiös ist, ist das Projekt Gondosolar. Obwohl die Arbeiten zu diesem Projekt bereits 2021 und damit deutlich vor dem Parlamentsbeschluss zum beschleunigten Solarausbau im Herbst 2022 gestartet sind, wird es auch für dieses Projekt knapp. "Obwohl wir mit Vorsprung gestartet sind, wird das mit 2025 schon relativ just", sagte Beat Imboden, Asset Manager und Projektleiter Hydro Power Generation, Alpiq AG. Imboden berichtete sodann, dass der Umweltverträglichkeitsbericht für das Projekt Gondosolar bis Ende Februar vorliegen soll. Bereits im Frühling soll dann die Baueingabe beim Kanton stattfinden. Der Alpiq-Mann verwies weiter auf die nötige Bauzeit von rund 1,5 Jahren und darauf, dass der Bauentscheid entsprechend spätestens im vierten Quartal dieses Jahres zu erfolgen habe, um Ende 2025 am Netz zu sein.
Im Gespräch mit energate bestätigten verschiedene Projektanten alpiner Solaranlagen diesen Zeitdruck. Demnach sollten Anlagen, die bis zum 31. Dezember 2025 teilweise am Netz sein sollen, bereits Ende dieses Jahres über eine Baubewilligung verfügen. Ansonsten wird es wegen der Lieferfristen bei Komponenten und der eingeschränkt möglichen Bauzeiten im Gebirge eng. Anzufügen ist dem, dass viele Projekte Gondosolar hinterherhinken und mit der Umweltverträglichkeitsprüfung beispielsweise noch nicht einmal begonnen wurde.
Morgeten-Initiant: "Der Teufel liegt im Detail"
Eine Baubewilligung strebt auch Christian Haueter, Biobauer und Initiant des alpinen Solarprojekts Morgeten im Simmental an. Haueter berichtete von anfänglicher Euphorie - bereits wenige Tage nach dem Parlamentsbeschluss zum Solarexpress habe sich der erste Investor bei ihm gemeldet - und anschliessender Ernüchterung. Er verwies dabei darauf, dass mit dem Solarexpress zwar gewisse Hürden gefallen, andere jedoch geblieben seien. "Der Teufel liegt im Detail", so Haueter mit Blick auf die aus seiner Sicht "sehr herausfordernde" technische und vor allem rechtliche Umsetzung der Projekte. Das grösste Problem beim Projekt Morgeten stellt gemäss dem Initianten der Netzanschluss dar. Ihm zufolge gibt es einigermassen nah zwar einen dafür geeigneten Netzknoten. Die Verbindung zu diesem würde aber für 800 Meter durch ein Moorschutzgebiet führen. Dies macht die direkte Zuleitung aufgrund der Bestimmungen in Artikel 71a EnG schwierig. Der längere Alternativweg wiederum wirkt sich negativ auf die Wirtschaftlichkeit und zeitverzögernd aus.
An den Energieforschungsgesprächen kritisierte die Branche im Weiteren den Verordnungsentwurf, mit dem die Verwaltung den vom Parlament beschlossenen Solarexpress umsetzen will. Für Diskussionen sorgte dabei beispielsweise die Regel, wonach die Anlagen bis zum 31. Dezember 2025 mit mindestens zehn Prozent der geplanten Gesamtleistung am Stromnetz sein müssen. "Das ist der Tod für die grossen Projekte", sagte Zehner. Imboden wiederum betonte, dass die Wirtschaftlichkeit der alpinen Anlagen noch überhaupt nicht klar sei. Auch das hänge von der konkreten Ausgestaltung der Verordnung ab.
Tami: Kantone sollen Spielraum nutzen
Insgesamt wurde auch klar, dass noch grosse Unsicherheit besteht, wie der Solarexpress in der Praxis genau umgesetzt werden soll. Der Bündner Regierungsrat Caduff berichtete etwa davon, dass beim Amt für Raumplanung im Wochenrhythmus neue Projektanten vorstellig würden und Fragen hätten. Der Kanton habe aber selber mehr Fragen als Antworten, sagte er. Caduff meinte damit, dass neben vielen weiteren Details beispielsweise nicht klar geregelt ist, welche Instanz auf Kantons- oder Gemeindeebene die alpinen Solaranlagen bewilligen muss.
Im Gespräch mit energate appellierte Renato Tami, Vizepräsident des Projektentwicklers IG Solalpine, dass die Kantone ihren Spielraum nutzen, um die alpinen Solaranlagen, wie vom Parlament gewünscht, rasch zubauen zu können. Wie dies gehen könnte, hat jüngst der Kanton Wallis vorgemacht. Laut eigenen Angaben hat er den Solarexpress des Bundes in einem
Dekret im Sinne eines wirksamen und raschen Verfahrens konkretisiert. So ist beispielsweise vorgesehen, dass nach dem öffentlichen Auflageverfahren der Staatsrat anstelle der kantonalen Baukommission den Bewilligungsentscheid für eine solare Anlage fällt. Laut Angaben des Kantons macht diese Lösung eine sofortige Entscheidung in letzter Verwaltungsinstanz möglich, die direkt beim Kantonsgericht angefochten werden kann.
Tami betonte im Gespräch weiter den grossen Beitrag, den alpine Solaranlagen zur Lösung der Winterstromproblematik leisten könnten. Er äusserte den Wunsch, dass dies in der noch ausstehenden definitiven Verordnung sowie in der künftigen Energiegesetzgebung angemessen berücksichtigt wird. Ähnlich hatte sich auch Zehner an der Podiumsdiskussion geäussert. Auch er forderte die Politik auf, aus der Energiegesetzgebung einen Anschlusszug zu machen, damit der Solarexpress nicht einfach zum Stehen kommt. /mg